Abb. 1: Die Abgrenzung einzelner Nutzungseinheiten ist insbesondere bei Wohnheimen häufig eine komplexe Aufgabe. (Quelle: Matthias Dietrich)
Der Begriff der Nutzungseinheit findet sich in zahlreichen Passagen der Musterbauordnung (MBO) undder Landesbauordnungen wieder. Beispielsweise ist die Einstufung in die Gebäudeklassen 1, 2 und 4 entsprechend § 2 Abs. 3 MBO an die Größe der Nutzungseinheiten geknüpft.
Gemäß § 29 Abs. 2 MBO sind Nutzungseinheiten untereinander und zu anders genutzten Räumen durch Trennwände abzutrennen. § 31 Abs. 4 MBO gestattet Öffnungen in raumabschließenden Geschossdecken lediglich innerhalb einer Nutzungseinheit zur Verbindung zweier Geschosse mit einer Fläche von bis zu 400 m².
Entsprechend § 33 Abs. 1 MBO müssen Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen in jedem Geschoss über mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege verfügen. § 35 Abs. 1 MBO bzw. § 36 Abs. 1 MBO gestatten bis zu einer gewissen Fläche innerhalb einer Nutzungseinheit den Verzicht auf einen notwendigen Treppenraum oder einen notwendigen Flur. § 40 Abs. 1 MBO und § 41 Abs. 5 MBO ermöglichen Erleichterungen hinsichtlich der Abschottung von Leitungsanlagen und Lüftungsanlagen innerhalb derselben Nutzungseinheit mit nicht mehr als 400 m² in nicht mehr als zwei Geschossen [1].
Die Abgrenzung von Nutzungseinheiten ist somit eine wesentliche Grundlage der Brandschutzfachplanung.
Trotzdem findet sich dazu in der MBO interessanterweise keine abschließende Begriffsbestimmung. Lediglich § 33 Abs. 1 MBOführt aus, dass unter Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum u. a. „Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten [zu verstehen sind]“ [1].
Es ist somit unstrittig, dass es sich bei Wohnungen, Praxen und selbstständigen Betriebsstätten i. d. R. um eigenständige Nutzungseinheiten handelt. Anlässlich einer diesbezüglichen Anfrage führte das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr in Erläuterungen zur Bayerischen Bauordnung aus:
„Der Begriff ‚Nutzungseinheit‘ ist im Gesetz nicht definiert. Aus der beispielhaften Aufzählung in Art. 31 Abs. 1 [BayBO; dies entspricht § 33 Abs. 1 MBO] – ‚Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten‘ – lässt sich jedoch ableiten, dass damit eine baulich abgegrenzte Folge von Räumen gemeint ist, die eine betrieblich/organisatorisch selbstständige Einheit bildet. Brandschutztechnisch getrennte Abschnitte innerhalb dieser Einheit bilden keine eigenen ‚Nutzungseinheiten‘, sondern stellen – im Sinne der Regelung in Art. 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbsatz 2 [BayBO; dies entspricht § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbsatz 2 MBO] – lediglich ‚Teile einer (größeren) Nutzungseinheit‘ dar“ [2].
Vortrag beim FeuerTrutz Brandschutzkongress 2024
Matthias Dietrich referiert am Mittwoch, 26. Juni 2024, um 11:15 Uhr im Kongresszug 1 (Block A), Brandschutzkonzept 1 zum Beitragsthema: „Was ist eigentlich eine Nutzungseinheit? Der Versuch einer praxisgerechten Begriffsbestimmung“.
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Keine eigenständigen Nutzungseinheiten
Somit dürfte unstrittig sein, dass der Klassenraum einer Schule, der Gruppenraum eines Kindergartens, der Beherbergungsraum eines Hotels, das Patientenzimmer eines Krankenhauses oder das Bewohnerzimmer eines Altenpflegeheims naturgemäß keine eigenständigen Nutzungseinheiten sind, da diese Räume keine betrieblich/organisatorisch selbstständige Einheit bilden und nicht unabhängig benutzbar sind. Diese Räume sind somit (selbst dann, wenn sie über entsprechende brandschutztechnische Abtrennungen verfügen) lediglich Teil einer Nutzungseinheit. Dagegen sind Schulen, Kindergärten, Hotels, Krankenhäuser und Altenpflegeheime in ihrer Gesamtheit i. d. R. eigenständige Nutzungseinheiten [Abb. 2].
Schwierige Abgrenzung
Unklar bleibt die Einstufung hinsichtlich der Nutzungseinheiten jedoch häufig bei Wohnheimen, Boardinghäusern oder Wohngemeinschaften.
In diesen Fällen wird regelmäßig eine einzelfallbezogene Bewertung erforderlich sein. Beispielsweise kann es sich bei solchen Einheiten durchaus um eine zusammenhängende Nutzungseinheit handeln, wenn sie bewusst in einem gemeinschaftlichen Kontext stehen. […]
Kostenloser Download
Mehr lesen? Der komplette Beitrag ist in Ausgabe 2.2024 des FeuerTrutz Magazins erschienen und steht Ihnen als kostenloser Download zur Verfügung.
Darin geht es um die Einstufung hinsichtlich der Nutzungseinheiten bei Wohnheimen, Boardinghäusern oder Wohngemeinschaften sowie die Unterscheidung zwischen gemeinschaftlichen und eigenständigen Nutzungseinheiten bei Verkaufsstätten. Außerdem geht der Autor auf die Unterscheidung von Nutzungseinheiten und anders genutzter Räumen ein und beschreibt die Umsetzung des Rettungswegsystems.
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Autor
Dipl.-Ing. Matthias Dietrich
ist Prüfsachverständiger für den Brandschutz bei Rassek & Partner Brandschutzingenieure, Wuppertal (NRW) und Würzburg (BY)