Der Beitrag beschreibt die brandschutztechnische Sanierung und Umgestaltung eines Bestandshochhauses aus den 70er-Jahren in der Jakobstraße in Magdeburg.
Das Hochhaus Jakobstraße in Magdeburg galt lange Zeit als höchstes Wohnhochhaus in Sachsen-Anhalt, gebaut bis 1974 in sogenannter Gleitbauweise. Es handelt sich um ein ca. 60 m langes und 18 m breites Hochhaus mit Unterkellerung, obergeschossiger Wohnnutzung und Kleingeschäften und Büros im Erdgeschoss. Die Gebäudestruktur besteht aus einem Süd- und einem Nordteil, verbunden mit einem Verkehrs- und Erschließungskern als Mittelteil. Der Südteil besteht aus 16 Obergeschossen sowie Erdgeschoss, der Nordteil aus 18 Obergeschossen und Erdgeschoss.
Bestandschutzgeschichte des Objekts
Mit der Übernahme des bundesdeutschen Baurechts Anfang der 90er-Jahre stellte sich die Frage, ob Bestandsschutz besteht und ob die Schutzziele der MBO erfüllt sind.
Mit den Hochhausanpassungsverordnungen Anfang der 90er-Jahre in den neuen Bundesländern war vorläufig prinzipieller Bestandsschutz auch für dieses Hochhaus gegeben, obwohl in weiten Teilen nicht die Hochhausanforderungen des bundesdeutschen Baurechts erfüllt wurden. Diese Anpassungen wurden in den östlichen Bundesländern eingeführt und ermöglichten den Weiterbetrieb der Bestandshochhäuser, weil diese nach geltendem Recht errichtet waren. Bei Plattenbauten bis 30 m wurde dabei der zweite Rettungsweg oft über spezielle Drehleitern vorgesehen, die ein Anleitern bis 30 m ermöglichten.
Ein anderes Problem waren offene Gänge von Sicherheitstreppenräumen, die meist nur einseitig offen waren und damit bei Instandhaltungen z. B. der Gebäudeisolation zum Problem wurden. Das Hochhaus Jakobstraße war ein „Unikat“ mit einem Sicherheitstreppenraum und vielen Einzelproblemen, die eigentlich aufgrund dieser Anpassungen Anfang der 90er-Jahre als „geheilt“ galten.
Erhebliche Mängel
Als jedoch bei Brandverhütungsschauen der Magdeburger Feuerwehr um die Jahre 2000 erhebliche akute Mängel festgestellt wurden, standen zeitweise Sperrung und Schließung dieses Gebäudes auf der Tagesordnung, da in diesen Fällen der Bestandsschutz entfiel, wenn erhebliche Mängel insbesondere bei der Personenrettung festgestellt wurden.
Die festgestellten Mängel betrafen insbesondere Folgendes:
- fehlende haustechnische Abschottungen zwischen den Geschossen und den Nutzungseinheiten
- unzureichende Ausführung des Sicherheitstreppenraums, insbesondere unzureichende Ausgangslösung
- Sicherheitstreppenraum mit offenem Gang hatte Verkleidungen und war nur einseitig offen
- wesentlich zu lange Stichflure von weit über 20 m Länge
- vertikale Brandausbreitungsmöglichkeiten durch einen Müllabwurfschacht im mittleren Erschließungsbereich
- fehlende Brandfrüherkennung
- Türen zu Nutzungseinheiten nur dichtschließend
- Flurtrennungen in Holzbauweise
- fehlende Brandabschnittsbildung
- schwer zugängliche Steigleitungen, die sich in Nebenräumen befanden und eine Brandbekämpfung im Innenangriff erheblich erschwerten
Gerade die Mängel bei den haustechnischen Abschottungen, die zum Teil erheblich waren, was in der oftmals „einsparenden“ Bauweise in DDR-Zeiten begründet war, hätten im Brandfall eine Ausbreitung von Feuer und Rauch im gesamten Gebäude ermöglicht, sodass im Brandfall mit mehreren Brandgeschossen zu rechnen war.
Brandschutzkonzept
Demzufolge musste die Bestandslösung 2003 im Rahmen eines Brandschutzkonzepts völlig überarbeitet werden. Dabei konnte auf den Bestandsschutz nicht mehr zurückgegriffen werden, da aufgrund der festgestellten Mängel akute Gefahren für Leben und Gesundheit der Bewohner vorlagen und insbesondere keine ausreichende Ausführung für einen erfolgreichen Innenangriff der Einsatzkräfte der Feuerwehr bestand.
Das „kleinste“ Problem war die horizontale Trennung in Brandabschnitte. Bei 60 m Gebäudelänge waren mindestens zwei Brandabschnitte notwendig. Da zwei feuerbeständige Wände bestanden, von denen aber nicht nachweisbar war, ob sie auch die mechanischen Anforderungen für Brandwände erfüllten, musste eine Sonderlösung geschaffen und begründet werden. In diesen beiden Wänden werden keine weiteren Öffnungen als die Flurtüren vorgesehen, die feuerhemmend und rauchdicht ausgeführt werden und in deren direktem Umfeld keine weiteren Türen und Brandlasten vorgesehen sind. Die bestehenden Holztüren im Quergang wurden entfernt, um eine horizontale Brandausbreitung über den mittleren Erschließungsteil weitgehend auszuschließen.
Erschließungskern und Tragwerk
Da der mittlere Verkehrsteil nur aus notwendigen Fluren, Aufzügen und abgetrennten technischen Betriebsräumen besteht, konnten die Türanforderungen des notwendigen Flurs in der Brandwand am Eingang der Wohnbereiche von EI90 CS auf EI30 CS reduziert werden. Dies konnte schutzzielbezogen nachgewiesen werden, da aufgrund der Abstand zu Wohnungstüren im notwendigen Flur und zu anderen wesentlichen Brandlasten größer als 3 m war. Damit wurde auf eine Regelung Bezug genommen, Flurtüren in Brandwänden in EI30 CS auszuführen, wenn die Abstände groß genug sind und die thermische Belastung dieser Türen gering ist. Gleichzeitig wurde der Müllabwurfschacht, der eine zusätzliche vertikale Brandausbreitungsmöglichkeit bot, abgeschafft.
Da das Gebäude in Massivbauweise ausgeführt war, konnte aufgrund der Wandstärken im Wesentlichen für das Tragwerk und die sonstigen raumabschließenden Wände Feuerbeständigkeit festgestellt werden. Bei nicht ausreichenden Feuerwiderständen der tragenden und aussteifenden Bauteile wäre ansonsten für Hochhäuser grundsätzlich der Einbau einer automatischen Feuerlöschanlage Pflicht gewesen, so wie bei einem ähnlichen Hochhaus in der Nähe, das ebenfalls zu DDR-Zeiten gebaut wurde und nur Feuerwiderstände unterhalb der 60 m erreichte.
Abschottungen
Allerdings waren sämtliche Durchführungen von Haustechnik so unzureichend ausgeführt, dass eine ausreichende raumabschließende Wirkung nicht festgestellt werden konnte. Notwendig war also die nachträgliche Abschottung von E-Leitungen, Lüftungsleitungen in EI90, vormals S90, K90 etc., was letztlich auch der größte Kostenpunkt des Projekts wurde. Im Ergebnis wurde durch diesen haustechnischen „Kraftakt“ insbesondere im Deckenbereich und bei den Installationsschächten die Feuerbeständigkeit erreicht.
Anlagentechnik und Kompensationen
Das Gebäude besaß keine Feuerlöschanlage und nur an bestimmten Stellen Brandmelder. Demzufolge musste der Feuerüberschlagsweg an den Außenfassaden bewertet werden.
Wie auf den Abbildungen zu sehen ist, haben die Balkone 1 m hohe, massive Brüstungen, und im Bereich der Fenster bestand mindestens 1,0 m Feuerüberschlagsweg. Nur im Mittelbereich befinden sich bodentiefe Flurfester. Diese konnten aber als unkritisch bewertet werden, da die notwendigen Flure im mittleren Verkehrsbereich als brandlastarm ausgeführt waren.
Einen erheblichen Aufwand verursachte die Umrüstung der bisher vorhandenen einfachen Flurtüren zu den Wohnungen in feuerhemmende und selbstschließende Türen. Da keine Sprinkleranlage vorhanden war, wurden die Türen zu den Nutzungseinheiten in EI30, vormals T30, ersetzt. Dies betraf ca. 16 Türen pro Geschoss. Damit wurden die Nutzungseinheiten durch feuerbeständige Trenn- und Flurwände untereinander abgetrennt. […]
Weiterlesen? Der vollständige Beitrag ist in Ausgabe 5.2023 des FeuerTrutz Magazins erschienen. Er beschreibt die Änderungen bei den Rettungswegen und Lösungen hinsichtlich der vorhandenen Stichflure und der Außentreppe.
Fazit
Das im Rahmen der Sanierung 2005 erreichte Brandschutzniveau entspricht zwar nicht den Anforderungen der Muster-Hochhaus-Richtlinie von 2008, erfüllt aber explizit die Schutzzielanforderungen zur Personenrettung und Brandbekämpfung und verringert dank des erheblichen Aufwands bei der Bauteil- und insbesondere Haustechniksanierung im Vergleich zum Bestand deutlich die Ausbreitungsmöglichkeiten für Feuer und Rauch.
Autor
Prof. Dr.-Ing. Michael Rost
studierte Brandschutz und promovierte an der TU Magdeburg. Durch die Forschung an Sprinkleranlagen trug er zur Entwicklung und Einführung von Wassernebeltechnik bei. An der Hochschule Magdeburg-Stendal war er Professor für den Studiengang mit Schwerpunkt Brandschutz “Sicherheit und Gefahrenabwehr” verantwortlich. Als Prüfingenieur Brandschutz im Ingenieurbüro Brandschutz FIROSEC GmbH befasst er sich seit 30 Jahren mit ganzheitlichen Brandschutzkonzepten und betreute mehrere tausend Brandschutznachweise.