Die Baubranche hat einen großen Anteil am Ressourcenverbrauch. Will man sowohl bei einer Umnutzung als auch bei einem Neubau von Gebäuden die Klimaziele berücksichtigen, kann das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ins Spiel kommen: Aus dem Abriss eines Gemäuers entsteht ein neues Bauwerk. Der Beitrag fasst derzeitige Herausforderungen und Lösungsansätze in der Baubranche und speziell beim Brandschutz zusammen.
Eine Grundsatzregel aus der Forstwirtschaft, die seit dem 18. Jahrhundert Bestand hat, lautet: „Man schlage nur so viel Holz, wie auch wieder nachwächst.“ Diese Regel beschreibt den Konflikt, dass unendliches ökonomisches Wachstum in einer endlichen Welt an Grenzen stößt. Das ökonomische System hat inzwischen jedoch ein Ausmaß angenommen, in dem die Nutzbarmachung der natürlichen Ressourcen zu einer dauerhaften Veränderung des Planeten führt. Unter anderem haben diese Veränderungen dazu geführt, dass das Stichwort Nachhaltigkeit in wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskursen allgegenwärtig ist [1].
Es liegt in der Natur des Menschen, dass er nach Lösungen für aktuelle und zukünftige Probleme sucht. Ein Patentrezept für weniger Verbrauch von natürlichen Ressourcen sehen die Autoren in der Kreislaufwirtschaft. Im Gegensatz zur Linearwirtschaft, auch „Wegwerfwirtschaft“ genannt, die auf Produktion, Konsum sowie Entsorgung abzielt, handelt es sich bei der Kreislaufwirtschaft um ein ganzheitlicheres und ressourcenschonenderes Wirtschaftsmodell. Der Fokus liegt auf der Rückgewinnung und Wiedereingliederung von Materialien in den Wertschöpfungsprozess, und damit generiert es einen nachhaltigen Mehrwert für Verbraucher, Unternehmen und Gesellschaft [2]. Abbildung 2 veranschaulicht die Verbindung zwischen einer traditionellen linearen Wirtschaft und einer Kreislaufwirtschaft.
Problemstellung
Einen großen Anteil am Ressourcenverbrauch hat die Baubranche. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 411,5 Mio. Tonnen Abfall produziert. Der Löwenanteil kann den Bau- und Abbruchabfällen zugeordnet werden. Diese machten mit rund 222 Mio. Tonnen den Großteil (53,9 %) des Brutto-Abfallaufkommens aus [3]. Im weltweiten Vergleich verursachte der Bausektor fast 40 % der CO2-Emissionen. Dieser Anteil wird laut Statusbericht der Vereinten Nationen voraussichtlich noch weiter zunehmen [4].
Diesen Zahlen gegenüber stehen notwendige Bauprogramme verschiedener Länder, etwa das Wohnbauprogramm der deutschen Bundesregierung. Angesichts der ehrgeizigen Zielsetzung, in den kommenden Jahren in Deutschland 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, ist es unerlässlich, sich auf eine Reduzierung der darin enthaltenen sogenannten „grauen Energie“ zu konzentrieren und auch die Abfallquote nicht weiter ansteigen zu lassen. Diese Herausforderungen sind von erheblicher Tragweite, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsnot in Deutschland und der rückläufigen Zahl der Baugenehmigungen. Infolge dieser Umstände sind neue Wohnbauprojekte oft nicht auf Innovation, sondern auf kostengünstige und zügige Realisierung ausgerichtet. Erschwerend hinzu kommen Engpässe bei den Rohstoffen und hohe Zinsen.
Die anhaltende Ressourcenknappheit sowie der wachsende Wohnungsnotstand erfordern die Umnutzung und Sanierung von Gebäuden unter Berücksichtigung eines geringen Materialeinsatzes. Eine Sanierung ist aber eine nur kurzfristige Maßnahme, da viele Altbauten nicht mehr auf eine lange Lebensdauer ausgelegt sind. Auch großflächige Abrissarbeiten sind derzeit ökonomisch nicht vertretbar, dennoch werden nach wie vor Gebäude mit einer soliden Bausubstanz abgerissen und durch Bauwerke ersetzt, die als wegweisend im Hinblick auf Innovation und Nachhaltigkeit gelten und sich nicht zuletzt durch einen niedrigen Energieverbrauch auszeichnen sollen. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass allein die Produktion der Baumaterialien etwa 60 % des gesamten Energiebedarfs im Lebenszyklus eines Gebäudes ausmacht. So verursacht etwa die Herstellung von Beton rund 15 % der weltweiten CO2-Emissionen. Ein neues Gebäude wird daher energetisch fast nie an ein altes, zuvor abgerissenes Gebäude heranreichen [5].
Lösungsansatz Kreislaufwirtschaft?
Will man folglich sowohl bei einer Umnutzung als auch bei einem Neubau die Klimaziele berücksichtigen, kann das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ins Spiel kommen: Aus dem Abriss eines Gemäuers entsteht ein neues Bauwerk. Gefragt sind dafür nachhaltige Bauprodukte, die recyclingfähig sind. Insbesondere im Bereich der mineralischen Baumaterialien gibt es bereits vielversprechende Entwicklungen [5].
Aber „Reuse“-Baustoffe sind keine neuen Bauteile, die den aktuellen deutschen oder europäischen Prüfstandards entsprechen. Falls eine Prüfung stattgefunden hat, ist die baurechtliche Zulassung i. d. R. bereits abgelaufen, oder die Prüfnormen haben sich inzwischen geändert. Dies bedeutet, dass Verschärfungen der Gesetzeslage oder neue Prüfanforderungen nicht prinzipiell abgedeckt werden, z. B. die Anforderung an die Rauchdichtigkeit (S200) von Türen in Treppenhäusern. Die Überarbeitung der Rauchdichtigkeitsanforderungen für Brandschutztüren in Treppenräumen erfolgte im Jahr 2011. Daher halten ältere Türen, auch wenn sie für eine erneute Verwendung geeignet sind, diesen aktualisierten Anforderungen voraussichtlich nicht stand. Eine Verwendung von Baustoffen aus einem abgerissenen Nachbargebäude für ein neues Bauvorhaben ist somit aufgrund der momentanen gesetzlichen Bestimmungen nicht ohne Weiteres möglich.
Herausforderungen und Lösungen im Brandschutz
Könnten Sie sich vorstellen, einen gebrauchten Airbag aus einem alten Auto auszubauen und in ein neues Fahrzeug einzusetzen? Diese Frage kann man auch bei der Verwendung von Baustoffen stellen: Auch wenn es technisch machbar und ökologisch sinnvoll ist, darf eine Wiederverwertung keinesfalls die Sicherheit eines Gebäudes gefährden.
Brandschutzkonzepte dienen dazu, bereits bei der Planung die Gebäudesicherheit zu berücksichtigen. Und genau da ist der Brandschutzplaner gefordert. Solange keine eindeutigen Studien, aktuellen Forderungen und Regularien vorliegen, erstellt der Brandschutzplaner zusammen mit der Brandschutzbehörde mit nachvollziehbaren Argumenten das Konzept zum Einsatz von „Reuse“-Baustoffen an sinnvollen Stellen im Gebäude. Ein Bauteil in einem guten Zustand, versehen mit einer erforderlichen Dokumentation (frühere Prüfzertifikate, Wartungsprotokolle etc.), kann unter Umständen auch dann wiederverwendet werden, wenn neue Brandschutzklassifizierungen vorgeschrieben sind. Einige Produkte erfüllen bereits gleichwertige oder sogar höhere Vorgaben, als die aktuellen Bauvorschriften verlangen, und können somit im Rahmen des vorgeschriebenen Brandschutzkonzepts wiederverwertet werden. Eine Zusammenfassung dieser Gestaltungsmöglichkeiten ist in Abbildung 3 dargestellt [6]. Doch wo lohnt es sich anzufangen? Abbildung 4 schlüsselt die einzelnen Gebäudeteile hinsichtlich ihrer Umweltbelastung auf.
Wiederverwertbarer Beton
Die Werte in den Abbildungen lassen hoffen, denn die Betonbauweise macht bereits ca. 46 % der Umweltbelastung eines Gebäudes aus. Wiederverwertbarer Beton ist keine Seltenheit mehr, und auch brandschutztechnisch gibt es derzeit keine Bedenken, da sich zwar die Mischung und das Mischungsverhältnis bei der Herstellung ändern, der Baustoff aber gleich bleibt. Doch Zement, einer der Hauptbestandteile von Beton, verursacht bei seiner Herstellung 8 % aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen. Bei der Verarbeitung von „Reuse“-Beton wird bestenfalls mineralischer Bauschutt sortiert und unter großem Energieaufwand zu Recyclingbeton aufbereitet, was wiederum eine zusätzliche Zementproduktion erfordert. Die Wiederverwendung von bereits gegossenen Betonteilen ermöglicht es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Die Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken ist mit der DIN EN 1992-1-2 zwar gegeben, aber wiederverwertbare Fertigbetonbauteile können nicht ohne Weiteres in neue Gebäude eingebaut werden, denn es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die verwendeten Bauteile den notwendigen Feuerwiderstand an dem vorgesehenen Platz des Bauteils erfüllen. Und auch Beton altert: „Beton ist kein unveränderlicher Werkstoff, der immer gleich bleibt, sondern es laufen langsam, aber kontinuierlich Reaktionen ab“ , so Eddie Koenders, Professor und Leiter des Instituts für Werkstoffe im Bauwesen (WiB) der TU Darmstadt, das am EU-weiten Forschungsprojekt InnovaConcrete mitwirkt [7]. Das Projekt untersucht zurzeit den Prozess der Alterung von Beton, und einige Pilotprojekte widmen sich Konstruktionen mit „Reuse“-Fertigbetonbauteilen.
Wiederverwendbarkeit von Stahlkonstruktionen
Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „European Recommendations for Reuse of Steel Products in Single-Storey Building“ wurden die Rückbaubarkeit und die Wiederverwendbarkeit von Stahlkonstruktionen ebenso wie die von Beton untersucht. Die sehr geringen Fertigungstoleranzen von Stahlkonstruktionen ermöglichen den Einsatz von Verbindungen mit präzisen Geometrien, die sowohl leicht demontierbar als auch montierbar sind. Da Stahlkonstruktionen i. d. R. mit zusätzlichen Materialien (z. B. Gipsfaserplatten, Mineralwolle) geschützt werden, spricht aus brandschutztechnischer Sicht auf den ersten Blick nichts gegen die Wiederverwendung von Stahl. Besonderes Augenmerk ist jedoch auf Stahlkonstruktionen zu richten, die mit einem Dämmschichtbildner geschützt sind. Diese Bauteile können nicht unbedenklich wiederverwendet werden, da gemäß Abschnitt 2.3 der ETAG 18/02 die Lebensdauer von reaktiven Brandschutzbeschichtungen nur bei zehn Jahren liegt.
Wiederverwendbarkeit von Holzbauteilen
Anders verhält es sich bei „Reuse“-Holz. Es gibt bereits einige Unternehmen, die wiederverwendbare Holzbauteile anbieten. Ein Beispiel ist das Holzbausystem TRIQBRIQ, das aus mikromodularen Holzbausteinen, den sogenannten BRIQs, besteht. Diese werden aus kostengünstigem Industrie- und Kalamitätsholz mittels Robotertechnologie mit höchster Präzision gefertigt. Die einzelnen BRIQs werden vor Ort zu einem Verband zusammengesetzt und mit Buchenholzdübeln sicher miteinander verbunden. Am Ende der Nutzungsdauer eines Gebäudes können die BRIQs sortenrein entnommen und vollständig wiederverwendet werden.
Aus brandschutztechnischer Sicht sind solche modularen Bausysteme immer dann gesondert zu betrachten, wenn sie eine brandabschnittsbildende Funktion erfüllen sollen. In diesem Fall wird man um eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nicht herumkommen, und auch dafür gilt, wie bereits geschrieben, dass der Gesetzestext keine Unterscheidung zwischen neu hergestellten und wiederverwendeten Bauteilen enthält. Somit ist für ein demontiertes Bauteil wie für ein neues Bauteil eine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich.
Abbildung 4 zeigt, dass 54 % der relativen Umweltbelastung eines Gebäudes auf den Innenausbau entfallen. Darauf kann z. B. durch Wiederverwendung von Lüftungskomponenten, Dämmungen, Gipsfaserplatten etc. eingewirkt werden. Dies findet allerdings, wie das Beispiel der Lüftungsrohre zeigt, zurzeit nur sehr begrenzt statt. In Analysen einer hypothetischen Prozesskette stellte sich heraus, dass die Wiederverwendung von Lüftungsrohren trotz standardisierter Abmessungen zeitaufwendig ist. Die Sicherstellung einer ausreichenden Qualität und Verfügbarkeit erfordert Strukturen, wie sie nur bei den Herstellern von neuen Lüftungsrohren vorhanden sind. Bei den heutigen Preisen dürfte es schwierig sein, wiederverwendbare Rohre zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen anzubieten [8].
Dasselbe gilt für Brandschutzklappen und andere Abschottungssysteme. Zur wirtschaftlichen Komponente tritt die begrenzte Lebensdauer dieser Produkte. Abschottungssysteme leisten einen sehr wichtigen Beitrag zum baulichen Brandschutz, und daher muss das Risiko zwischen kostengünstiger Wiederverwertung und dem erforderlichen Sicherheitsniveau abgewogen werden. Aussagekräftige Langzeitstudien zu wiederverwertbaren Abschottungssystemen stehen derzeit noch aus.
Fazit
Abschließend noch einmal zur Frage des ausgetauschten Airbags: Ist es denkbar, einen gebrauchten Airbag in einem neuen Fahrzeug wiederzuverwenden? Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Erfahrungswerte zur Weiterwendung von Baukomponenten unter Berücksichtigung von Brandschutz- und weiteren Sicherheitsvorgaben noch zu spärlich, um eine valide Aussage treffen zu können. Wahrscheinlich würden wir aber mit einem ausgetauschten Airbag im Auto mit 10 km/h auf einer einsamen Straße fahren. Es kommt also auf die Betrachtungsebene an.
Quellen
[1] Dallmer, J. (2020). Glück und Nachhaltigkeit: Subjektives Wohlbefinden als Leitmotiv für nachhaltige Entwicklung.
[2] Kraft, M. H. G., Christ, O., & Scherer,L. A. (2022). Management der Kreislaufwirtschaft: Positionierung und Gestaltung zirkulärer Unternehmen. Springer Gabler.
[3] Umweltbundesamt, abgerufen am14. Januar 2024: www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/abfallaufkommen#deutschlands-abfall
[4] UNEP (Hrsg.) (2022). 2022 Global StatusReport for Buildings and Construction. UN Environment Programme
[5] Halstenberg, M. (2023). Das bessere Recyling. Weiternutzen als erster Schritt. Bauen Aktuell, 04/23, 6–8
[6] McNamee, M., Göras, T., Mossberg, A., Wetterqvist, C., Lundh, K., Blomqvist, P., & Blomqvist, S. (2023). Challengesand opportunities for reuse of products and materials with fire safety requirements – A Swedish perspective. Fire Safety Journal, 140, 103857. https://doi.org/10.1016/j.firesaf.2023.103857
[7] Forschungsprojekt zur Alterung von Beton startet. (o. J.). ingenieur.de – Jobbörse und Nachrichtenportal für Ingenieure. Abgerufen 19. November 2023, von www.ingenieur.de/fachmedien/bauingenieur/forschung-undentwicklung/forschungsprojekt-zur-alterung-von-beton-startet/
[8] Stadt Zürich, Amt für Hochbauten (2023). Re-use von Lüftungsrohren. www.stadt-zuerich.ch/hbd/de/index/hochbau/bauen-fuer-2000-watt/grundlagen-studienergebnisse/2023-04-egt-reuse-von-lueftungsrohren.html
[9] UFAM, B. für U. B. | O. fédéral del’environnement O. | U. federale dell’ambiente (2022, November 3). Rohstoffe, Abfall und Kreislaufwirtschaft: Das Wichtigste in Kürze.
www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/thema-abfall/abfall–daswichtigste-in-kuerze.html
Der Beitrag ist in Ausgabe 3.2024 des FeuerTrutz Magazins (Juni 2024) erschienen.