Abb. 1: Nicht immer verfügen Bestandsgebäude über ein Brandschutzkonzept. Bei praxisbezogener Betrachtung ist es aber möglich, dass ein Brandschutzbeauftragter bestellt werden muss – ohne Brandschutzkonzept kann dieser jedoch vor Herausforderungen stehen. (Quelle: B·A·D, Foto Andreas Wiese)
Eine Vielzahl von Gebäuden im Bestand weist nach wie vor kein Brandschutzkonzept auf. Dies betrifft auch die Sonderbauten, bei denen baurechtlich gesehen die Verpflichtung besteht, einen Brandschutzbeauftragten zu bestellen. Eine solche Situation kann Brandschutzbeauftragte vor besondere Herausforderungen stellen.
Brandschutzkonzepte bzw. -nachweise sind u. a. für Sonderbauten in den Bundesländern verpflichtend zu erstellen. Den rechtlichen Rahmen sowie die Grundlagen bilden die Landesbauvorschriften mit der jeweiligen Landesbauordnung und den zugehörigen Sonderbauvorschriften. Diese Regelung betrifft im Wesentlichen die Errichtung von Gebäuden sowie deren wesentliche bauliche Änderungen, die eines Bauantrags bedürfen. Gebäude im Bestand sind davon nicht betroffen, sofern Bestandsschutz geltend gemacht werden kann.
Notwendigkeit von Brandschutzbeauftragten
Ob grundsätzlich ein Brandschutzbeauftragter für ein Gebäude bestellt werden muss, regeln
-
die Baugenehmigung,
-
das Brandschutzkonzept,
-
landesrechtliche Bauvorschriften,
-
arbeitsschutzrechtliche Regelwerke (z. B. ASR A2.2, DGUV Information 205-003) sowie
-
privatrechtliche Vereinbarungen (z. B. mit dem Sachversicherer).
Vor dem Hintergrund der vorgenannten „Auslösekriterien“ für die Bestellung eines Brandschutzbeauftragten wird deutlich, dass auch für Bestandsgebäude ohne baurechtliche Verpflichtung aufgrund privat- oder arbeitsschutzrechtlicher Forderungen ein Brandschutzbeauftragter notwendig werden kann. Die Bestellung aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht verbleibt allein in der Eigenverantwortung des Arbeitgebers.
Bei praxisbezogener Betrachtung ist festzuhalten, dass bei einigen Gebäuden im Bestand zwar die Erforderlichkeit zur Bestellung eines Brandschutzbeauftragten besteht, jedoch nicht zwingend auf ein Brandschutzkonzept bzw. einen Brandschutznachweis als Arbeitsgrundlage zurückgegriffen werden kann. Gleichwohl bleibt der Anspruch durch den Arbeitgeber, dass eine einwandfreie Beratungsleistung zu erwarten ist.
Die Aufgaben des Brandschutzbeauftragten
Die Aufgaben des Brandschutzbeauftragten finden sich im Wesentlichen in Regelwerken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. DGUV Information 205-003) sowie in Richtlinien der Sachversicherer wieder. Darüber hinaus können diese durch vorliegende Brandschutzkonzepte oder auch Auflagen der Baubehörde im Rahmen der Baugenehmigung ergänzt werden.
Die Aufgaben umfassen aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht gemäß DGUV Information 205-003 die Beratung zu Fragen des
- vorbeugenden,
- abwehrenden,
- organisatorischen Brandschutzes sowie
- des betrieblichen Notfallmanagements.
Aus baurechtlicher Sicht (gemäß der Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung des Landes NRW von 2000 Ziffer 54.218) werden Brandschutzbeauftragte von der Bauaufsichtsbehörde insbesondere bei Sonderbauten nach LBO NRW § 68 Abs. 1 Satz 3 gefordert – sofern sich ihr Erfordernis nicht bereits aus Sonderregelungen für Sonderbauten ergibt (vgl. Verkaufsstättenverordnung, Industriebau-Richtlinie). Brandschutzbeauftragte haben demnach u. a. die Aufgabe, während des Betriebs die Einhaltung des genehmigten Brandschutzkonzepts und der sich daraus ergebenden betrieblichen Brandschutzanforderungen zu überwachen und dem Betreiber festgestellte Mängel zu melden. Die Aufgaben der Brandschutzbeauftragten sind im Einzelfall schriftlich festzulegen.
Tabelle 1 stellt die Aufgaben des Brandschutzbeauftragten beispielhaft mit den dazu notwendigen Informationen bzw. Kenntnissen dar.
Tabelle 1: Auszug Bauzustandsanalyse mit Darstellung baurechtlicher Anforderungen an den Brandschutz
Konzeptionelle Lösungsansätze
Der Brandschutzbeauftragte benötigt idealerweise eine Unterlage zum Gebäude, die die Anforderungen aus Sicht des Baurechts enthält. Sie kann als Basis für die Beurteilung von Situationen den Brandschutz betreffend herangezogen werden, z. B. während einer Brandschutzbegehung. Der Brandschutzbeauftragte müsste sich dazu eingehend in die Bauakten einlesen und in der Lage sein, diese auszuwerten. Um ein ganzheitliches Anforderungsprofil für das Gebäude zu entwickeln, müssen die in den Bauakten nicht konkret angegebenen Anforderungen an den Brandschutz durch Angaben aus den historischen Bauordnungen sowie historischen sonstigen Vorschriften ergänzt werden.
An dieser Stelle setzt die Analyse der Baugenehmigungen bzw. Bauakten zum Bestand an. Diese Analyse kann z. B. durch einen Fachplaner oder Sachverständigen für Brandschutz durchgeführt werden, da sich diese Experten insbesondere mit den Anforderungen aus dem Baurecht den Brandschutz betreffend regelmäßig auseinandersetzen.
Die Anforderungen aus den Genehmigungen werden dazu, wie in Abb. 1 dargestellt, z. B. in tabellarischer Form aufgeführt und gleichzeitig in Brandschutzplänen visualisiert. In einem weiteren Schritt kann die bauliche Umsetzung im Bestand durch einen Soll-Ist-Abgleich untersucht und als Ergebnis in einem Brandschutzplan visualisiert werden (Abb. 2).
Auf dieser Grundlage kann der Brandschutzbeauftragte fundierte Aussagen zum vorbeugenden Brandschutz gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Bauherrn treffen. Insbesondere kann bei einer erweiterten Analyse und Beurteilung des Bestands dargestellt werden, inwiefern womöglich der Bestand von der materiellrechtlichen sowie formellen Genehmigungslage wesentlich abweicht und ggf. der Bestandsschutz erlischt. Dies schafft sowohl Klarheit als auch Rechtssicherheit für die verantwortlichen Beteiligten.
Im Folgenden werden beispielhaft Fragen des Brandschutzbeauftragten aus der Praxis vorgestellt, die immer wieder zu Herausforderungen bei der Beurteilung führen:
- Nutzungseinheit (Büronutzung) mit 400-m²-Regelung ohne notwendigen Flur? Dürfen Brandlasten im Flur verbleiben?
- Welchen Feuerwiderstand muss die Trennwand aufweisen? Daraus ergibt sich die Frage nach der korrekten Schottung von Durchdringungen.
- Welche Abweichungen von baurechtlichen Vorschriften sind genehmigt?
- Ist die BMA im Bestand baurechtlich gefordert oder eine Maßnahme des Betreibers?
- Welche Anforderungen sind an die Türabschlüsse in Trennwänden gestellt?
- Wo verlaufen Brandwände?
- … etc.
Fazit
Die Betreuung eines Bestandsgebäudes ohne Brandschutzkonzept bzw. -nachweis als Brandschutzbeauftragter kann den Berater an die Grenzen seiner eigenen Kompetenz bringen. Wenn die baurechtlichen Grundlagen nicht hinreichend vorgeklärt sind und somit eine abschließende Aussage kaum zu treffen ist, kann eine Beratung nur unter Vorbehalt erfolgen.
Eine mögliche Lösung: eine Bauzustandsanalyse den Brandschutz betreffend, das heißt die Erfassung und Analyse des baulichen Bestands unter Einbezug der zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen Rechtsvorschriften sowie erteilten Baugenehmigungen einschließlich der Auflagen. Dazu wird es in vielen Fällen sinnvoll sein, einen Fachplaner bzw. Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz einzuschalten.
Mit dieser Bauzustandsanalyse wird der Brandschutzbeauftragte in die Lage versetzt, die auf ihn zukommenden Fragen in der Praxis rechtssicher zu beantworten und auf die Einhaltung des genehmigten Bestands hinzuwirken.
Tabelle 2: Aufgaben und erforderliche Kenntnissen von Brandschutzbeauftragten
Aufgabe gem. DGUV Information 205-003 | Kenntnisvoraussetzungen | Praxisbeispiel |
---|---|---|
Mitwirken bei baulichen, technischen Maßnahmen, soweit sie den Brandschutz betreffen |
Baurechtliche Anforderungenan Trennwände, Brandwände, Bauteile (z. B.(Brandschutz-)Türen) |
• Rückbau von (Trenn-) Wänden |
Kontrollieren, dass Flucht- und Rettungspläne, Feuerwehrpläne aktuell sind, ggf. Aktualisierung veranlassen und dabei mitwirken |
Baurechtliche Notwendigkeit von z. B. Feuerwehrplänen aufgrund bestehender Genehmigungen / Brandschutzkonzept |
Auflage aus der Bestandsbaugenehmigung, Feuerwehrpläne z. B. bei einer Kita vorzuhalten, ohne dass eine BMA nach DIN 14675 im Gebäude gefordert ist |
Durchführen von internen Brandschutzbegehungen |
Festlegung der Nutzungseinheiten – Regelung zur brandschutztechnischen Trennung von 200 m²– 400 m²-Einheiten |
Entfall der Notwendigkeitvon notwendigen Fluren bei 400-m²-Einheiten in Verwaltungsbereichen mit Auswirkungen auf die Vorhaltung von Brandlasten in den Flurbereichen sowie Türabschlüssen im Flurbereich |
Kontrollieren der Sicherheitskennzeichnungen für Brandschutzeinrichtungen und für die Flucht- und Rettungswege |
Art der Ausführung der Sicherheitskennzeichnung |
Sicherheitsbeleuchtung gefordert in der Ausführung als hinterleuchtete Rettungszeichenleuchten |
Quellen
[1] Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 31. Mai 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 140)
[2] Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.2, Ausgabe: Mai 2018, zuletzt geändert GMBl. 2022
[3] DGUV Vorschrift 1, Stand November 2013, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
[4] DGUV Regel 100-001, Stand Mai 2014, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
[5] DGUV Information 205-023, Stand Februar 2014 – aktualisierte Fassung November 2019, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
[6] DGUV Information 205-001, Stand Dezember 2010, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
[7] Musterbauordnung, Fassung November2002, zuletzt geändert 22./23.09.2022
[8] Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung des Landes NRW, Ausgabe 2000 mit Fassung vom 23.11.2000
Autor
M.Eng. Sebastian Schönen
Spartenleiter Technik der B·A·D GmbH; zertifizierter Sachverständiger für vorbeugenden und gebäudetechnischen Brandschutz gem. DIN EN ISO/IEC 17024; Sicherheits- u. Brandschutzingenieur