Abb. 1: Für die Prüfung wurde die Schüco Brandschutztür FireStop ADS 90 FR 90 in einer typischen Einbausituation mit beidseitig senkrecht verlaufenden Flurwänden eingebaut. (Quelle: Schüco International KG)
Im Gespräch mit Sören Kleine-Beckel, Entwicklungsingenieur für Brandschutzsysteme bei Schüco International KG
Der Einsatz von Brandschutztüren in Fluren mit parallel verlaufenden Wänden ist gängige Praxis. Diese Einbausituation ist jedoch in der Brandschutz-Prüfnorm DIN 4102-5/EN 1634-1 nicht vorgesehen und geregelt. Was passiert aber im Fall eines Brandes in einer solchen Einbausituation, und können zertifizierte Feuerwiderstandsklassen auch dann eingehalten werden? Die FeuerTrutz-Redaktion sprach zu dieser Fragestellung mit Sören Kleine-Beckel, Entwicklungsingenieur für Brandschutzsysteme beim Systemgeber Schüco, der mit einem akkreditierten Prüfinstitut diese Einbausituation nachgestellt und einer Brandprüfung unterzogen hat.
Herr Kleine-Beckel, Schüco hat einen Brandversuch zu einer Einbausituation von Brandschutztüren durchgeführt, die laut Prüfnorm DIN 4102-5/EN 1634-1 nicht vorgesehen ist. Bevor wir zum Hintergrund des Versuchs und den Ergebnissen kommen – würden Sie kurz schildern, welche Einbausituation in dieser Norm grundsätzlich beschrieben wird?
Sören Kleine-Beckel: Ich teile diese einleitende Frage einmal in zwei Fragen auf, zum einen in die Frage „Was beschreibt diese Prüfnorm eigentlich?“ und zum anderen in die Frage „Wo genau liegt der Unterschied zwischen der nationalen DIN 4102-5 und der europäischen EN 1634-1?“.
Wenn wir prüfen, dann geschieht dies nach der EN 1634, Teil 1, und diese Norm legt ein Verfahren zur Bestimmung von Widerstandsdauern von Türen etc. fest. Die Norm regelt somit den Einbau von Türen oder ganz allgemein Feuerschutzabschlüssen in Öffnungen von raumabschließenden Bauteilen. So weit ist das erst einmal „europäisch“ gedacht. Die DIN 4102, Teil 5, ist aber bis dato immer noch national gültig, das heißt, wir bekommen darüber unsere deutsche „T-Klassifizierung“.
Wir prüfen also europäisch, aber in Deutschland ist für die Innenanwendung (bei der Außenanwendung ist es anders) die DIN 4102-5 maßgeblich. Dazu will ich schon einmal einen Passus aus der Veröffentlichung des DIBt „Feuerschutzabschlüsse (Innentüren): Einbau in Wände und Anschlüsse an Bauteile“ vom Dezember 2023 vorwegnehmen. Dort steht direkt im ersten Absatz: „Die Brandprüfungen werden grundsätzlich nach DIN EN 1634-1 in Verbindung mit DIN EN 1363-1 durchgeführt […]“. Und weiter: „Die Prüfkörper müssen für den nationalen Anwendbarkeitsnachweis mit den zusätzlichen Messstellen nach DIN 4102-5 belegt sein.“
Das heißt, wir prüfen europäisch; dies reicht aber für eine deutsche Zulassung nicht aus. Somit haben wir noch zusätzliche Messstellen, die in 4102-5 beschrieben sind, und diese bringen wir dann noch ergänzend mit auf. Wir sprechen hier also von einigen zusätzlichen Messstellen für Temperaturen an bestimmten Punkten auf den Elementen. Die Prüfnorm EN 1634-1 ist identisch mit der DIN 4102-5 bei dem Verfahren, das dort beschrieben ist: Prüfbedingungen, Zahl und Größe von Probekörpern, Einbausituation der Probekörper in die Normtragkonstruktion etc. Der wesentliche Unterschied liegt in den beschriebenen zusätzlichen Messstellen.
Inwiefern weicht nun die anfangs erwähnte typische Einbausituation von Brandschutztüren von dieser Norm ab – und betrifft die Abweichung nur die parallel verlaufenden Wände?
Sören Kleine-Beckel: Grundsätzlich beschrieben sind Feuerschutzabschlüsse in einer Normtragkonstruktion – vereinfacht gesagt also in einer Wand. Dann wird genauer erläutert, dass sich eine Normtragkonstruktion an einer realistischen oder praxisnahen Einbausituation orientieren muss, also eine übliche Situation widerspiegeln soll. Das heißt, das Element ist dann z. B. eingebaut in Porenbeton oder in eine Leichtbauwand – so wie es dann in der Praxis auch wirklich ausgeführt wird. Die jeweiligen Tragkonstruktionen sind wiederum unterteilt und definiert: in die Normtragkonstruktion „Leichtbauweise“ mit der Besonderheit, dass die vertikalen Ränder freibiegend sind, und in die Normtragkonstruktionen „Massivbauweise“, z. B. Porenbeton oder Mauerwerk, bei der die Wand dann biegesteif senkrecht zur Ebene ausgeführt ist.
Wie weicht nun die genormte Einbausituation davon ab, wie es heute in der Praxis Usus ist zu bauen, und wie ist die derzeitige Diskussion entstanden? Dazu ist die Norm genau zu lesen: Der Feuerschutzabschluss muss „in“ eine Wand und nicht „an“ eine Wand eingebaut sein. Und genau das schließt eine Flursituation mit parallelen Wänden aus. Die Situation ist in der Mitteilung des DIBt dann auch schematisch mit einer Skizze beschrieben: Wenn eine Flursituation vorliegt, dann muss dieser Feuerschutzabschluss „in“ einer Brandwand stehen und nicht „an“ den vertikal verlaufenden Wänden. Ausgenommen davon sind reine Rauchschutzabschlüsse.
Darüber hinaus haben wir ein zweites Thema in der Mitteilung des DIBt. Es geht also nicht nur um den Verlauf der Flurwände, Stichwort gemischte Baukörperanschlüsse. Auch wenn ich mich in der Wand befinde, kommt es trotzdem vor, dass sich dort unterschiedliche Materialien wiederfinden. Die Norm macht dazu keine Angaben.
Anders ausgedrückt: Habe ich eine Tür in einem umlaufenden homogenen Mauerwerk, dann ist das normativ geregelt. Habe ich die Tür in einer Montagewand/Leichtbauwand, dann funktioniert es ebenfalls. Nun die Problemsituation: Habe ich eine Kombination von unterschiedlichen Baukörperanschlusstypen, weil ich beispielsweise die Einbausituation in einem Renovierungsfall so vorfinde oder der Planer es aus verschiedensten Gründen so auslegt, dann ist es normativ unklar. Es kann dann z. B. so aussehen, dass auf der einen Seite die Tür an eine massive Wand angrenzt und der Rest an einer Normtragkonstruktion in Leichtbauweise montiert ist. In der Folge entsteht ein gemischter Baukörper (s. Abb. 2). Dies ist dann leider nicht zulässig, denn so steht es nicht in der Zulassung.
Was genau hat Schüco nun in diesem Zusammenhang geprüft?
Sören Kleine-Beckel: Infolge der entstandenen Ungewissheit im Markt kamen viele Planer, Architekten und Kunden auf Schüco zu und fragten: „Wie dürfen wir denn nun einbauen und wie nicht?“ Um für die Kunden, aber auch für uns selbst eine Antwort zu finden, haben wir uns entschieden, die zwei beschrieben Themen „Flursituation“ und „gemischte Baukörperanschlüsse“ so prüfen zu lassen, wie sie in der Praxis oft gebaut werden. In Summe war es für uns also ein Projekt mit mehreren Brandprüfungen.
Im Vorfeld haben wir uns mit dem akkreditierten Prüfinstitut DMT in Lathen zusammengesetzt und herausgearbeitet, was typische und kritische Prüfbedingungen sind. Was ist also für die Praxis typisch, aber in Hinsicht auf die Elemente und deren Verformung während der Prüfung kritisch? An dieser Stelle sollte das Worst-Case-Szenario abgebildet werden.
Ein Versuch bezog sich auf eine einflügelige Brandschutztür in einer Wand mit einem Teil Mauerwerk und einem Teil Montagewand nach DIN 4102-4 (Abb. 2). Ergebnis: positiv, Raumabschluss bis zur 96. Minute sichergestellt. Weil diese Einbausituation so noch nie geprüft worden war, war es auch für uns spannend zu sehen, ob wir bei 90 Minuten eine Punktlandung machen oder ob die Standfestigkeit vielleicht auch 100 Minuten gegeben ist. Das war tatsächlich der Fall.
In einer zweiten Brandprüfung wurde eine zweiflügelige Tür mit Oberlicht (also immerhin vier Meter Elementhöhe) verwendet, ebenfalls in einem gemischten Baukörper (links Mauerwerk, rechts Montagewand), in diesem Fall mit einer tragenden Decke direkt darüber. Das Ergebnis war ebenfalls positiv.
Weiterhin geprüft wurde dann die Flursituation mit zwei parallel verlaufen Wänden (Abb. 1). In der Praxis treffen dabei aber drei Produkte aufeinander: die Brandschutztür, die Kabelabschottung im Wandteilstück oberhalb der Tür und die beidseitig senkrecht verlaufenden Flurwände. Auch das ist gängige Praxis; die „Kabellage“ muss nun einmal irgendwo hin und wird daher in den Fluren mitgeführt, z. B. in abgehängten Decken. Dies ist ebenfalls normativ nicht geregelt und wurde daher mit geprüft. Auch dieser Versuch verlief sehr positiv. (Anm. d. Redaktion: Es handelte sich um eine Tür der Serie Schüco FireStop ADS 90 FR 90. Mehr Informationen zum Prüfaufbau im Infokasten).
Wie helfen die Ergebnisse des Brandversuchs Anwendern, Planern oder auch Architekten konkret weiter?
Sören Kleine-Beckel: Die bauausführende Firma, die den Feuerschutzabschluss einbaut, muss ja eine Bestätigung der Übereinstimmung der Bauart mit der allgemeinen Bauartgenehmigung abgeben. Dies wäre für die gerade beschriebenen Einbaufälle auf der Basis der abZ/aBG so nicht möglich, es handelt sich um eine Abweichung. Aus unserer Sicht als Systemgeber muss somit eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG) beantragt werden. Wir unterstützen unsere Lizenznehmer, auf der Basis der durchgeführten Prüfungen ein Gutachten erstellen zu lassen, um eine vBG bei der jeweiligen obersten Bauaufsichtsbehörde zu erwirken.
Klar ist aber ehrlicherweise auch: Dies bedeutet immer Aufwand, Zeit und Kosten. Aber zumindest steht für unsere Kunden damit nun eine Lösung bereit. Zudem haben wir die Gewissheit, dass die Einbausituationen, wie wir sie beschrieben haben, für unsere Brandschutztüren funktionieren.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kleine-Beckel!
Weitere Details und zusätzliche Bilder zum Brandversuch sind online verfügbar unter
www.schueco.de/brandschutz-norm
Zum Prüfaufbau in Abb. 1:
- zweiflügelige Tür mit Seitenteil (Serie: Schüco FireStop ADS 90 FR 90)
- F90-Metallständerkonstruktion in Leichtbauweise oberhalb der Tür
- drei gängige Kabelabschottungen
Um die Flursituation abzubilden:
- zwei Trennwände in F90-Trockenbauweise mit einer Tiefe von 1,10 m lotrecht zu den oben beschriebenen Elementen
Bei der Prüfung wurden alle Prüfbedingungen der EN 1634-1 angewandt, und der kombinierte Aufbau wurde damit belastet. Eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG) ist zu erwirken.
Für die Brandschutzprüfung wurde der Prüfaufbau vor dem Ofen montiert. Vor allem in den ersten Minuten erfährt das Element dabei besonders viel Stress: Die Tür ist kalt und beginnt sich zu erhitzen. Bei der Prüfung lag die Verformung der Tür bei 50 mm in Richtung Brandseite. Nach etwa 20 Minuten nimmt die Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außenseite ab und die Verformung ist vorerst rückläufig. Da Aluminium einen Schmelzpunkt von ca. 660 °C hat und diese Temperatur bereits innerhalb weniger Minuten erreicht wird, müssen Materialien in die Kammern des Aluminiumverbundprofils eingesetzt werden, die isolieren und kühlen. Mit zunehmender Dauer erfährt das Element durch das Abschmelzen zudem einen Materialverlust. Dennoch muss die Brandschutztür noch mindestens 70 weitere Minuten bei bis zu 1.000 °C standhalten, um alle Anforderungen der Norm EN 1634-1 zu erfüllen. Erst wenn das gewährleistet ist, hat das Element die Brandprüfung bestanden.
Trotz der unbekannten und neuartigen Prüfsituation konnte ein Raumabschluss bis zur 94. Minute sichergestellt werden. Die Standfestigkeit des Elements war auch nach diesem Zeitpunkt bis zum Ausschalten des Ofens gegeben. Das Ergebnis belegt, dass die Brandschutztür der Serie Schüco FireStop ADS 90 FR 90 auch bei einer nicht genormten, aber praxisnahen Einbausituation das Schutzziel eines mindestens 90-minütigen Feuerschutzes ohne Einschränkungen erfüllt.
Autor:in
Sören Kleine-Beckel
Entwicklungsingenieur für Brandschutzsysteme bei Schüco International KG