Abb. 1: Speziell der Aufenthalt von Personen in historischen Türmen spielt eine wichtige Rolle beim Brandschutz. Hier zu sehen: der 114,7 m hohe Turm des Neuen Rathauses in Leipzig. Er gilt als höchster Rathausturm Deutschlands und ist für Besichtigungen geöffnet. (Quelle: falco / Pixabay)
Der Brandschutz bei historischen Türmen ist vor allem wegen ihrer Höhe und Nutzungsart oft eine Herausforderung. Meist werden Türme heute anders genutzt als zum Zeitpunkt ihrer Erbauung und dienen mitunter auch Aufenthaltszwecken. Der Beitrag betrachtet Brandgefahren und entsprechende Brandschutzmaßnahmen bei historischen Türmen.
Türme unterscheiden sich allein aufgrund ihrer Höhe von allen anderen Bauten, und der Aufenthalt von Menschen muss nicht von Anfang an geplant gewesen sein. Heute werden historische Türme mit ursprünglich unterschiedlicher Nutzung umgebaut, nachgerüstet und umgenutzt für
- Besichtigungen (Aussichtsplattformen),
- Veranstaltungen (Konzerte, Lesungen),
- Ausstellungen (Museen, Kunstausstellungen),
- Gastronomie (Restaurants, Cafés) oder
- Wohnen.
Die Aufenthaltsbereiche liegen meist in Höhen von mehr als 13 m und nicht selten mehr als 22 m über der Geländeoberfläche (Hochhausgrenze). Türme ragen somit aus der bebauten Umgebung heraus und haben entweder mehrere Stockwerke, die genutzt werden, oder ein oberstes Stockwerk, das dem kurzzeitigen Aufenthalt dient. Die Grund- und Raumflächen der Türme sind meist nicht allzu groß.
Folgende historischen Turmarten (meist in Städten) werden heute für den Aufenthalt von Menschen neu bzw. anders als bei der Erbauung genutzt:
- Stadtmauertürme
- Pulvertürme
- Brückentürme
- Wassertürme
- Beobachtungstürme
- Leuchttürme
- Industrietürme
- Fernsehtürme
- Kirchtürme
Brandgefahren
In allen Turmtypen werden Turmbesteigungen immer beliebter. Die Türme werden für die Öffentlichkeit geöffnet und können frei oder mit Führung bis in die höchsten Ebenen unter der Turmspitze bestiegen und besichtigt werden. Das Ziel ist meist die Aussicht, für die Besteigung wird häufig ein Eintrittsgeld erhoben. In den meisten Türmen – mit Ausnahme von offenen Aussichtstürmen – halten sich die Menschen in geschlossenen Räumen auf. Die Räume befinden sich meistens auf der höchsten Ebene des Turms, manchmal auch in Zwischengeschossen. Die Türme stehen meist frei, nicht angebaut an andere Bauwerke.
Die Gefahrenproblematik ist offensichtlich: die starke Gefährdung der Turmbesucher beim Ausfall der meist einzigen Turmtreppe im Brandfall. In der überwiegenden Zahl der Türme ist damit zu rechnen, dass die vorhandenen Treppen nicht den heutigen Vorschriften und Richtlinien für sichere Treppen entsprechen.
Für die Brandgefährdung sind folgende Faktoren relevant:
- Rettungshöhen: Die Rettungshöhen liegen immer über 8 m (maximale Rettungshöhe für tragbare Leitern der Feuerwehr) und oft auch über 22 m (maximale Rettungshöhe für Drehleitern).
- Besucherzahl: Es müssen im Gefahrenfall mehrere Menschen aus die Rettungshöhen überschreitenden Höhen gerettet werden, wenn die vorhandene Treppe nicht begehbar ist. Dies kann die Feuerwehr nicht wirksam leisten.
Verfolgt man die Debatten in den Medien über die gewünschten bzw. seit Jahren betriebenen Nutzungen von Türmen in Städten, so stößt man dabei immer auf die Brandschutzproblematik: Bekannte und unter Denkmalschutz stehende Türme machen immer wieder Schlagzeilen, wenn es um die Nutzung für eine größere Zahl von Menschen geht. Die Türme sind eben aus den oben genannten Gründen dem heutigen Standard im Hinblick insbesondere auf die Rettungswege oft nicht angepasst. Es existiert meistens kein sicherer zweiter Rettungsweg, da nur eine Treppe vorhanden ist. Diese ist oft eine Wendel- oder gar Spindeltreppe. Die Türme werden dann gänzlich oder in Teilen für Aufenthaltsnutzungen wie Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Besichtigungen gesperrt.
Baustoffe und Brandlasten
Türme können prinzipiell aus unterschiedlichsten Baustoffen errichtet sein. Weit verbreitet sind die im Bauwesen üblichen Baumaterialien: Holz, Metall, Stein, Stahl oder Beton. Auch Fachwerktürme sind anzutreffen. In historischen Türmen sind die Decken fast immer Holzbalkendecken, auch in Form einfacher Holzbohlen auf Holzbalken. Sanierte Türme besitzen auch Stahlbetondecken. Nicht nur in Kirchtürmen, sondern auch auch in allen anderen Turmbauten, auch jenen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind (Tabelle 1), können Brände entstehen.
Da Türme meist die höchsten Bauten in einem Ort und seiner Umgebung sind, wird dort oft Mobilfunktechnik installiert. Die Sendeantennen werden nicht immer außen am Turm montiert, sondern, etwa in Kirchtürmen, hinter den Schallfenstern. Wenn kein Container neben dem Turm aufgestellt wird, wird die gesamte Technik (Kabel und große Schaltschränke) in den Turm verlegt und eingebaut, was eine erhebliche Erhöhung der Brandlast mit sich bringt.
Tabelle: Brände in Türmen (Auswahl)
Turm | Ort | Datum | Nutzung | Brandursache | Verluste |
---|---|---|---|---|---|
Wasserturm |
Berlin-Heinersdorf |
24.06.2014 |
keine Nutzung |
Fahrlässigkeit |
Holztreppe eingestürzt |
Aussichtsturm am Neuen Schloss |
Diez |
25.12.2014 |
Aussichtsturm, Büroräume |
Brandstiftung |
Holzturm eingestürzt |
Gartenschau-Turm |
Stephanskirchen |
10.01.2015 |
Aussichtsturm |
Fahrlässigkeit |
Holzturm beschädigt |
Fernsehturm |
Stuttgart |
Fernsehturm, Aussichtsplattform, Café |
unbekannt |
||
Wasserturm |
Hannover |
10.08.2015 |
Kultur- und Veranstaltungszentrum |
Brandstiftung im Lagerraum |
|
Leonhardsturm |
Worms-Pfeddersheim |
28.05.2016 |
Wohnturm |
technischer Defekt (Elektrogerät) |
Studio ausgebrannt |
Goetheturm |
Frankfurt/M. |
12.10.2017 |
Aussichtsturm |
Brandstiftung |
Holzturm niedergebrannt |
Turm des Nördlinger Tors |
Dinkelsbühl |
09.08.2023 |
Besichtigung, Ausstellung |
technischer Defekt |
1. und 2. Stockwerk ausgebrannt, Löschwasserschäden |
Römerturm Burg Kemnat |
Kaufbeuren |
30.09.2023 |
Aussichtsturm |
Brandstiftung |
Brüstung und Dachstuhl ausdem 12. Jh. beschädigt |
Brandschutzmaßnahmen
Brandschutzmaßnahmen in Türmen ergeben sich in erster Linie aus einer der folgenden drei Nutzungsarten:
-
ständige Nutzung, auch in den höchsten Ebenen, durch Menschen in offenen oder geschlossenen Turmräumen und für unterschiedliche Zwecke (u. a. Sitzungen, Lesungen, Konzerte, Ausstellungen),
-
Turmbesteigungen bis auf die höchsten Ebenen durch Besuchergruppen oder Einzelpersonen mit oder ohne Führung (Aussichtsplattform),
-
sporadische Besteigung zu Wartungs- und Reparaturzwecken durch einzelne Personen (Fachfirmen, Eigentümer).
Da alle drei Nutzungsarten immer in Höhen von über 7 m über Geländeoberfläche und fast immer über 13 m bzw. 22 m stattfinden, ist in jedem Turm die erste und gleichzeitig schwierigste Aufgabe die Sicherstellung der Rettungswege. Dafür sind – je nach Art der Nutzung des Turms – unterschiedliche Brandschutzmaßnahmen erforderlich. […]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 1.2024 des FeuerTrutz Magazins als Teil der Beitragsserie “Brandschutz historischer Sonderbauten” erschienen. Dort erläutert der Autor die verschiedenen Nutzungsarten, wie z.B. Turmbesteigungen durch Besuchergruppen, im Detail und geht auf entsprechende Brandschutzmaßnahmen ein.
Quellen
[1] Fernsehturm Stuttgart. Hrsg.: SWR Media Services GmbH Bereich Fernsehturm Stuttgart. www.fernsehturm-stuttgart.de/de/fernsehturm/bauwerk.php
[2] Kirchner, U.: Der Traum vom Turm. Hrsg.: Zehfuß, J. Braunschweiger Brandschutz-Tage 2014. Tagungsband, S. 139–164. Braunschweig: iBMB/MPATU Braunschweig, 2014
[3] Z. B. nach der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR), Fassung April2008. ARGEBAU, URL: https://is-argebau.de/Dokumente/42310703.pdf [Zugriff: 21.09.2023]
Autor
Dipl.-Ing. Sylwester Kabat
Studium an der Offiziers-Hochschule für Feuerwehrwesen in Warschau; Tätigkeit bei Berufsfeuerwehren und als Brandschutzingenieur in der Industrie und Kommunalverwaltung; 1985-2000 Feuerwehrtechnischer Bediensteter bei der Stadt Worms, 2000-2018 Brandschutz-Ingenieur beim Kreis Gütersloh (Kreisbrandamtsrat a.D.); Fachplaner und Freier Sachverständiger für Brandschutz in Baudenkmälern und Sakralbauten; mehrjährige Dozententätigkeit; über 110 Veröffentlichungen insbesondere zum vorbeugenden und baulichen Brandschutz in Baudenkmälern, Bestandsbauten und Kirchen sowie zu baurechtlichen Brandschutzvorschriften. www.kirchenbrandschutz.info