Die Brandschutzplanung im Hochgebirge erfordert eine schutzzielorientierte Konzeption, da die Brandschutzgesetzgebung mit ihren Standardmaßnahmen nicht darauf ausgelegt ist.
Der 3.000 m hohe Titlis in der Gemeinde Engelberg in der Schweiz ist ein bekanntes Ausflugsziel für nationale und internationale Gäste. Das Erlebnis Hochgebirge und Gletscher zieht jährlich Tausende von Besuchern an. Wandern, Skifahren und Biken sind feste Bestandteile des Tourismus in der Region, und das touristische Erlebnis „Titlis“ soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden.
Vor diesem Hintergrund hat die Bergbahnen Engelberg-Trübsee-Titlis AG als Eigentümer und Bauherr zusammen mit den Architekten Herzog & de Meuron und den Tragwerksplanern Schnetzer Puskas im Jahr 2017 das Projekt Titlis lanciert. Allen Beteiligten war von Anfang an bewusst, dass die Brandschutzplanung auf über 3.000 m ein zentrales Thema des Projekts sein würde.
Projekt Titlis
Das Projekt besteht aus dem Titlis-Turm, der bestehenden Bergstation und der neuen Bergstation der Gondelbahn „Linie II“. Der 50 m hohe Funkturm, der in den 1960er-Jahren zu Kommunikationszwecken errichtet wurde, ist seit einigen Jahren im Besitz der Titlis-Bergbahnen und soll bis Ende 2026 zu einem Erlebnisrestaurant und einer Bar umgebaut werden. Die touristische Erschließung erfolgt über die bestehende Gondelbahn „Rotair“ und deren Bergstation Titlis.
Im Rahmen des Projekts wird auch die bestehende Bergstation fast bis auf den Kern abgebrochen und bis 2028 neu aufgebaut mit dem Ziel, das Gästeerlebnis und die Sicherheit am Berg zu verbessern. Schließlich können sich zeitweise mehr als tausend Menschen auf dem Berg aufhalten. Als eine der ersten Maßnahmen für die Sicherheit, die Business Continuity und die Baulogistik wurde eine weitere Gondelbahn geplant, um eine Redundanz zur bestehenden Rotair zu schaffen. Die Teilprojekte Titlis-Turm, Bergstation Rotair und Bergstation Linie II bilden somit das Gesamtprojekt Titlis, verbunden durch teils bestehende, teils neue unterirdische Stollensysteme.
Der vorliegende Artikel fasst die Konzeption des Projekts Titlis-Turm zusammen.
Herausforderungen
Mit Beginn der Planung im Jahr 2017 war allen Beteiligten im Planungsteam klar, dass die Brandschutzplanung risiko- und schutzzielorientiert erfolgen muss. Zwar können alle Teilprojekte nach der schweizerischen Brandschutzgesetzgebung „VKF“ beurteilt und auch mit Standardmaßnahmen bemessen werden, aber ohne die schutzzielorientierte Betrachtung wäre die gestalterische Freiheit des Architekten eingeschränkt, und die Kosten für den Umbau der Projekte wären explodiert.
Daher bestand die erste konkrete Herausforderung darin zu prüfen, welche Standardmaßnahmen für die Teilprojekte umgesetzt werden können und welche Maßnahmen einer vertieften Betrachtung bedürfen. Dabei wurden immer auch die einzuhaltenden Schutzziele „Personensicherheit“, „Interventionsschutz“, „Gebäudeschutz“ und „Business Continuity“ betrachtet. Aus dieser ersten Betrachtung heraus entstand bereits in einem sehr frühen Projektstadium der Dialog mit der Brandschutzbehörde.
Als zweite elementare Herausforderung sind die eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehren zu berücksichtigen. Angesichts einer Eintreffzeit von teilweise bis zu einer Stunde und der möglichen Witterungsbedingungen auf 3.000 m sind viele Standardmaßnahmen gemäß der Gesetzgebung infrage zu stellen. Aus dieser Erkenntnis heraus und im Dialog mit der Brandschutzbehörde und der Feuerwehr war allen Beteiligten klar, dass die Selbstrettung der mehreren hundert Menschen auf dem Berg in jedem Fall funktionieren muss.
Daraus ergab sich die dritte Herausforderung, nämlich die Menschen an einen sicheren Ort ins Freie zu bringen. Bei Projekten in städtischen oder ländlichen Gebieten endet die Sichtweise des Brandschutzplaners auf der öffentlichen Verkehrsfläche, da man sich dort an einem sicheren Ort im Freien befindet. Der Bezugspunkt für eine sichere Evakuierung muss jedoch auf 3.000 m genau festgelegt werden. Im Hochwinter bei starkem Schneefall und Sturm ist die Skipiste kein sicherer Ort im Freien für mehrere hundert bis tausend Personen.
Projektbeschreibung und Abmessung
Der 50 m hohe Turm lässt sich vertikal in zwei Bereiche unterteilen. Der untere Sockelbereich ist ein achteckiger Stahlbetonkern mit den Abmessungen von ca. 14 × 19 m. Um diesen herum sind vier rahmenartige Einzeltürme aus Stahlfachwerk angeordnet. Der obere Bereich wird durch zwei übereinanderliegende Fachwerkkassetten erweitert. Die untere Box, die als Bar genutzt werden soll, hat Abmessungen von ca. 7,5 × 42 m, die obere Box (Restaurant) hat Abmessungen von ca. 12 × 36 m. Daraus ergeben sich Geschossflächen zwischen ca. 315 und 432 m2.
Insgesamt umfasst das Objekt nach dem Umbau elf Geschosse mit unterschiedlichen Nutzungen. Die Abb. 2 und 3 zeigen die Struktur des geplanten Umbaus vor und nach der Bauphase.
Situation und Zugänglichkeit
Das Gebäude befindet sich in exponierter Lage im Alpenraum auf dem Gipfel des Titlis (ca. 3.000 m ü. M.). Die Bergstation Klein Titlis ist mit der Gondelbahn Titlis Xpress und der Luftseilbahn „Rotair“ von Engelberg aus erreichbar. Abb. 4 zeigt die Anfahrt zum Turm sowie die Situation am Berg.
Der Zugang zum Turm erfolgt entweder direkt von der Bergstation über den Gletscher oder unterirdisch über einen Stollen. Die Entfernung von der Station bis zum Lift im Stollen mit Anbindung an die Lobby beträgt ca. 190 m. Alternativ erfolgt die Erschließung der Lobby von der Bergstation über eine planierte Piste (Entfernung ca. 160 m). Zusätzlich können die Bergstation und der Turm mit dem Hubschrauber angeflogen werden.
Die innere Erschließung des Turms erfolgt über zwei neue Fluchttreppenhäuser, eine bestehende Wendeltreppe sowie vier Aufzugsanlagen. Das Erschließungskonzept sieht vor, dass die Personen entweder mit dem Aufzug vom Stollen in die Lobby fahren oder direkt von der Piste in die Lobby gelangen. Von dort können die Personen über die neuen außenliegenden Panoramalifte zur Aussichtsterrasse, zum Restaurant oder zur Bar gelangen.
Personenbelegung und baurechtliche Einordnung
Die maximale Personenbelegung in den öffentlich zugänglichen Bereichen beträgt 770 Personen. Die Kontrolle der maximalen Personenbelegung erfolgt über Drehkreuze in der Lobby am Ein- und Ausgang. Die Personenströme werden voneinander getrennt. Neben den Besuchern arbeiten während der Betriebszeiten der Seilbahnen ca. 20 Personen im Turm.
Die Gesamthöhe beträgt ca. 53 m. In Abstimmung mit der Behörde sowie der VKF-BSN Art. 13 [1] wurde festgelegt, dass das Gebäude als Hochhaus einzustufen ist. Diese Einstufung galt bereits für den Bestand, da die bestehende Struktur in der Höhe nicht verändert wird.
Mit dieser Einstufung ergab sich bereits früh die erste Herausforderung, da die notwendigen Maßnahmen, die die VKF für ein Hochhaus fordert, im Bestand nicht umgesetzt waren. Daher ist der folgende Konzeptansatz entstanden.
Konzeptansatz
Die schweizerische Brandschutzgesetzgebung unterscheidet in der Brandschutznorm [1] drei Arten von Konzepten.
- Artikel 10 der Brandschutznorm: Bei Standardkonzepten werden die Schutzziele mit den vorgeschriebenen Maßnahmen erreicht.
- Artikel 11 der Brandschutznorm: Im Rahmen von Standardkonzepten können alternative Brandschutzmaßnahmen als Einzellösungen vorgeschriebene Brandschutzmaßnahmen ersetzen, sofern die Schutzziele für das Einzelobjekt gleichwertig erreicht werden. Über die Gleichwertigkeit entscheidet die Brandschutzbehörde.
- Artikel 12 der Brandschutznorm: Ergänzend oder alternativ ist die Anwendung von Nachweisverfahren im Brandschutz zur Beurteilung der Brandgefahr, des Brandrisikos oder zum Nachweis konzeptioneller Ansätze zur Erfüllung der Schutzziele der Brandschutznorm und zur ganzheitlichen Betrachtung zulässig.
In Absprache mit der Behörde wurde vereinbart, dass das Gebäude, wo sinnvoll und möglich, in vielen Bereichen unter Berücksichtigung der baurechtlichen Einstufung nach einem Standardkonzept gemäß der VKF-Brandschutznorm (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) [1] geplant wird. Die umzusetzenden Maßnahmen sind gesamtschweizerisch anerkannt und erfüllen die definierten Mindestschutzziele. Unter Berücksichtigung der exponierten Lage wurden jedoch gleichzeitig alternative Brandschutzmaßnahmen gemäß Art. 11 bzw. 12 der VKF-Brandschutznorm [1] zur optimalen Erreichung der Schutzziele geplant. Da es sich gemäß baurechtlicher Einstufung um ein Hochhaus handelt, müssten zahlreiche Maßnahmen umgesetzt werden, die primär dem Schutz der Einsatzkräfte dienen (z. B. Feuerwehraufzug). In Abstimmung mit der Behörde konnte vereinbart werden, dass auf Maßnahmen verzichtet werden kann, die aufgrund der exponierten Lage und der Einsatzmöglichkeiten der Feuerwehr nur schwer realisierbar sind, solange die Personensicherheit für die Selbstrettungsphase gewährleistet ist.
Dieses Schutzziel wird primär durch bauliche Maßnahmen (Zahl der Fluchtwege, ausreichende Breite, Brandabschnitte etc.) erreicht. Darüber hinaus wurden bestmögliche Voraussetzungen für eine Erstintervention durch die Gebäudenutzer geschaffen (mehr Feuerlöscher als gesetzlich notwendig). Zusätzlich wird ein Löschanlagenvollschutz im Gebäude geplant. Durch diese Maßnahme soll auch die lange Anfahrtszeit der Feuerwehr kompensiert werden.
Die Brandabschnittsbildung innerhalb des Gebäudes wird gemäß dem Standardkonzept Art 10 der VKF-Brandschutznorm [1] in den Geschossen über und unter Terrain in mind. EI 60-RF1 mit Brandschutzabschlüssen in der Qualität EI 30 ausgeführt. Der erforderliche Schutz vor einem Brandüberschlag bei Einordnung als Hochhaus wird in den Sockelgeschossen durch die außenliegenden Betonwände gewährleistet. In den neu erstellten Obergeschossen (Toiletten, Bar, Lüftungszentrale, Restaurant) wird der Brandüberschlag über die auskragenden Geschossdecken mit der Anforderung EI 60-RF1 sowie durch den Sprinklerschutz abgegolten.
Die beiden Fluchttreppenhäuser sind als geschlossene, vollverglaste Treppenhauskonstruktionen ausgeführt, die über brandlastfreie Schleusen erschlossen werden. Die vertikalen Fluchtwege münden in die Lobby, von der aus ein Zugang zum Gletscher besteht. Alternativ ist der Zugang zur Lobby über eine bestehende Wendeltreppe möglich. Gemäß der VKF-BSR „Begriffe und Definitionen“ [2] ist ein sicherer Ort im Freien gegeben, wenn sich Personen dort aufhalten können, ohne durch das Brandgeschehen oder andere Gefahren beeinträchtigt zu werden. Aufgrund der exponierten Lage ist im Freien mit alpinen Gefahren wie Sturm, Kälte, Nebel etc. zu rechnen.
In Abstimmung mit der Behörde wurde daher festgelegt, dass die Konzeption der Gebäudeevakuierung auf diesen beiden Gefährdungslagen basieren muss:
- Brandfall
- alpine Gefahren in Kombination mit einem Brandereignis
Für den Evakuierungsfall ist eine dynamische Fluchtwegführung vorgesehen, die organisatorisch durch Evakuierungshelfer und technisch durch eine Sprachalarmierungsanlage sowie die dynamischen Fluchtwegkennzeichen sichergestellt wird. Im Fall 1 besteht keine alpine Gefährdung. Im Brandfall können die Besucher das Gebäude über die Fluchttreppen verlassen und über die präparierte Piste zur Bergstation gelangen.
Im Fall 2 liegen alpine Gefahren vor, die eine Evakuierung über das Freie verhindern. Laut Rückmeldung des Betreibers ist die größte alpine Gefahr ein Gewitter mit akuter Blitzgefahr. Bei alpinen Gefahren in Kombination mit einem Brandereignis führt die dynamische Fluchtwegführung die Besucher über die Fluchttreppen direkt in die Lobby. Von dort gelangen die Personen über die bestehende Wendeltreppe in den unterirdischen Stollen, der als brandlastfreier Fluchtweg ausgebildet ist und zur Bergstation führt.
Im Bereich des technischen Brandschutzes werden eine Brandmeldeanlage mit Vollüberwachung sowie eine Sicherheitsstromversorgung und eine Blitzschutzanlage für das gesamte Gebäude realisiert. Ausgelöste Alarme der Brandmeldeanlage werden automatisch an die werkseigene Alarmzentrale in der Bergstation sowie an die Rezeption im Turm und an die Feuerwehr Engelberg weitergeleitet.
Zusätzlich ist im gesamten Turm eine Sprinkleranlage installiert. Zur Rauchfreihaltung der Fluchtwege während der Selbstrettung wird eine Spüllüftung mit geregelter Druckhaltung in Anlehnung an die VDMA 24188 [3] und VKF-BSR „Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“ [4] vorgesehen.
Für die Einsatzkräfte werden in Abstimmung mit der Behörde drei Wandhydranten vorgehalten. Unter Berücksichtigung der erschwerten Bedingungen und des primären Schutzziels der Selbstrettung wird in Abstimmung mit der Behörde das Mindestmaß für die Interventionskräfte mit dem Löschanlagenschutz sowie den neu geplanten Löscheinrichtungen für die Feuerwehr umgesetzt.
Nachweisverfahren
Eine wesentliche Abweichung der Bestandssituation von den Anforderungen an ein Hochhaus besteht in der Feuerwiderstandsqualität der bestehenden Tragkonstruktion. Gemäß der VKF-BSR „Brandschutzabstände Tragwerke Brandabschnitte“ [5] muss das bestehende Tragwerk unter Berücksichtigung des geplanten Sprinklerschutzes auf die Qualität R 60 ertüchtigt werden.
Eine Ertüchtigung der bestehenden offenen Stahlkonstruktion, die im Bestand brandschutztechnisch nicht geschützt war, auf R 60 wäre aus Sicht des Projektteams nicht verhältnismäßig. Mithilfe von Brand- und Evakuierungssimulationen sowie einer Heißbemessung des Tragwerks wurde nachgewiesen, dass das Gebäude in der Selbstrettungsphase bei zwei spezifischen Brandszenarien, die in Bezug auf die Gebäudenutzung als die kritischen Brandszenarien anzusehen sind, nicht versagt.
Tabelle 1: Maximale Personenbelegung
Geschoss | Ausgangsbreite | Personenbelegung |
---|---|---|
10 – Aussichtsplattform |
2 Türen à 1.2 m |
240 Personen (bei aufkommender alpinerGefahr wird die Aussichtsplattform gesperrt) |
08 – Restaurant |
2 Türen à 1.2 m |
230 Personen + 10 Personen Personal |
06 – Bar |
2 Türen à 1.2 m |
230 Personen + 10 Personen Personal |
Gesamtbelegung ohne alpine Gefahr |
ca. 720 Personen |
|
Gesamtbelegung mit alpine Gefahr |
ca. 480 Personen |
Um die Dauer der Selbstrettungsphase bestimmen zu können, wurde die Evakuierung der Besuchergeschosse Aussichtsplattform, Restaurant und Bar im Turm Titlis mittels Personenstromanalyse für die maßgebenden Szenarien mit und ohne alpine Gefahr untersucht. Die Personenverteilung im Gebäude wurde mit der Bauherrschaft definiert und ist auf die vorhandenen Ausgangsbreiten und Treppenhausbreiten abgestimmt (siehe Tabelle 1).
Das erste Szenario behandelt einen Brandfall in der Bar oder dem Restaurant ohne gleichzeitige alpine Gefahren. Die im Gebäude befindlichen Personen können somit nach Erreichen der Lobby in Richtung Gletscher evakuiert werden. Die Simulationen haben gezeigt, dass maximal 17 Minuten nach Branddetektion (3 Minuten Premovement-Zeit und 14 Minuten Fluchtzeit) alle Personen das Gebäude verlassen haben (Abb. 6).
Das zweite Szenario behandelt einen Brandfall in der Bar oder dem Restaurant bei gleichzeitiger alpiner Gefahr, sodass zum Zeitpunkt des Brandausbruchs die Aussichtsplattform für Besucher gesperrt ist. Die im Gebäude befindlichen Personen können in diesem Fall nicht in Richtung Gletscher evakuiert werden, sondern verlassen den Turm über den Stollen in Richtung Bergstation (Abb. 7). In diesem Szenario beträgt die Evakuierungszeit in den Simulationen max. 27 Minuten ab Branddetektion (3 Minuten Premovement-Zeit und 24 Minuten Fluchtzeit).
Unter Berücksichtigung der Evakuierungszeiten sowie eines Sicherheitspuffers ist somit festzustellen, dass das Tragwerk dem definierten Brand mindestens 30 Minuten standhalten muss.
Die Beurteilung des Stahltragwerks erfolgte nach dem allgemeinen Rechenverfahren auf der Grundlage einer thermischen und mechanischen Analyse gemäß den Anforderungen der Eurocodes (EN1991-1-2) [6] und (EN1993-1-2) [7] einschließlich der zugehörigen nationalen Anwendungsdokumente.
Die Brandraumtemperaturen wurden mit einem CFD-Modell (Abb. 8) über die Brandeinwirkungsdauer berechnet. Das zugrunde gelegte Brandszenario wurde gemeinsam mit der Behörde und einem Prüfsachverständigen festgelegt und mit den Anforderungen des Eigentümers abgestimmt. Es wurde ein Brand im Bargeschoss und ein Brand im Restaurantgeschoss untersucht.
Ca. 180 Sekunden nach Brandausbruch bersten die ersten Fenster in der Mitte des Raums, sodass die Rauchgase aus dem Barbereich austreten und entlang der Fassade nach oben strömen (Abb. 9a). Dabei wird der Boden des Restaurants unterströmt.
In der nachfolgenden Zeit bersten zunehmend Fenster von der Mitte zu den Enden des Raums hin, wodurch Heißgase auch direkt an den vertikalen Strukturen entlang hinauf strömen. Immer mehr Bereiche werden Temperaturen über 350 °C ausgesetzt (Abb. 9b).
Nach der Bestimmung der Oberflächentemperaturen wurde im Rahmen der Heißbemessung die thermische und mechanische Analyse der Tragkonstruktion durchgeführt. In Abb. 10 sind die vertikalen Verformungen nach 3.330 Sekunden Brandeinfluss abgebildet.
Gemeinsam mit dem Bauingenieur und einem externen Prüfsachverständigen wurden die Simulationsergebnisse ausgewertet, und es konnte nachgewiesen werden, dass ein Versagen der Stahlkonstruktion während der Selbstrettungsphase unter den vorgegebenen Randbedingungen ausgeschlossen werden kann.
Fazit
Durch die Anwendung von Nachweisverfahren konnte in Abstimmung mit der Behörde ein schutzzielorientiertes Brandschutzkonzept erarbeitet werden, das den Herausforderungen der Bestandssituation und der Bebauung über 3.000 m gerecht wird und die Gleichwertigkeit der definierten Schutzziele sicherstellt.
Dies bedeutet auch, dass sich alle im Projektteam und seitens der Behörde einig sind, dass die Umsetzung aller gesetzlichen Standardmaßnahmen bei einem so speziellen Projekt nicht möglich und auch nicht sinnvoll ist. Umso wichtiger ist es, gezielt Maßnahmen zu definieren, die ein ausreichendes Schutzniveau gewährleisten und die Selbstrettung unterstützen.
Quellen
[1] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen:Brandschutznorm, 2015
[2] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen: Brandschutzrichtlinie „Begriffe und Definitionen“, 2019
[3] VDMA 24188:2011-06: Rauchschutzmaßnahmen in Treppenräumen– Rauchableitung, Rauchverdünnung, Rauchfreihaltung, 2011
[4] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen: Brandschutzrichtlinie„Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“, 2017
[5] Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen: Brandschutzrichtlinie „Brandschutzabstände Tragwerke Brandabschnitte“, 2017
[6] DIN EN 1991-1-2:2010-12: Eurocode 1: Einwirkungen aufTragwerke – Teil 1-2: Allgemeine Einwirkungen – Brandeinwirkungen auf Tragwerke, 2010
[7] DIN EN 1993-1-2:2010-12: Eurocode 3: Bemessung undKonstruktion von Stahlbauten – Teil 1-2: Allgemeine Regeln –Tragwerksbemessung für den Brandfall, 2010
Der Beitrag ist in Ausgabe 1.2024 des FeuerTrutz Magazins erschienen.