Der 75 m hohe UNIQA Tower am Wiener Donaukanal ist mit einer Sprinkleranlage ausgestattet. Für Hochhäuser schreibt die Bauordnung in Österreich verpflichtend eine Löschanlage vor. (Quelle: © Robert Tober)
Im Gespräch mit Michael Haugeneder (ATP sustain GmbH) und Werner Hoyer-Weber (Ingenieurbüro Hoyer Brandschutz)
Brandschutz ist bei Bauvorhaben zwar kein aktiver Gestalter, nimmt aber dennoch Einfluss auf das Gesamtsystem eines Gebäudes – und somit auch auf dessen Ökobilanz. Doch was ist nachhaltiger: der in Österreich und auch in Deutschland traditionell stark verbreitete bauliche Brandschutz oder anlagentechnische Maßnahmen wie etwa Sprinkleranlagen? Das Wiener Ingenieurbüro Hoyer Brandschutz und die Forschungsgesellschaft ATP sustain erstellten dazu eine Vergleichsstudie.
Um den ökologischen Fußabdruck im Brandschutz bewertbar zu machen, erstellte das Ingenieurbüro Hoyer Brandschutz für ein in Planung befindliches Bürogebäude in Österreich mit einer BGF von über 10.000 m² zwei unterschiedliche Brandschutzkonzepte: Während sich Variante 1 auf Maßnahmen des baulichen Brandschutzes und kleine Brandabschnitte fokussierte, sah Variante 2 eine Sprinkleranlage und größere Brandabschnitte vor.
ATP sustain, die Forschungs- und Planungsgesellschaft für nachhaltiges Bauen, berechnete im Anschluss die Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen.
Das Ergebnis: Die Anlagentechnik schnitt in puncto CO2-Bilanz, Stromverbrauch oder Recyclingfähigkeit der Baumaterialien besser ab und bot darüber hinaus Kostenersparnisse.
Im Interview: Michael Haugeneder und Werner Hoyer-Weber
Wir haben mit Michael Haugeneder, Geschäftsleitung der ATP sustain GmbH, und Werner Hoyer-Weber, Geschäftsführer des Wiener Ingenieurbüros Hoyer Brandschutz, über die Ergebnisse der Vergleichsstudie sowie den ökologischen und wirtschaftlichen Einsatz von Brandschutzmaßnahmen gesprochen.
Den vollständigen Artikel zur Vergleichsstudie lesen Sie in Ausgabe 5.2023 des FeuerTrutz Magazins.
Wo gibt es noch Stellschrauben, um im anlagentechnischen und baulichen Brandschutz Einfluss auf das Gesamtsystem eines Gebäudes und dessen Ökobilanz zu nehmen?
Michael Haugeneder: Stellschrauben sind vor allem die masseintensiven Bauteile, also jene Bauteile, die meist den größten Hebel in der Ökobilanz darstellen. Auf der anderen Seite geht es um Bauteile, die nicht sortenrein zerlegbar sind. So sind beim baulichen Brandschutz sämtliche Feuerschutzplatten, Spachtelmassen oder Anstriche von ihrer Grundeigenschaft her so aufgebracht, dass sie sich auch unter Extremsituationen nicht ablösen oder trennen. Damit werden aber sogar Baustoffe wie Holz ökobilanztechnisch schlechter, weil sie nicht mehr trennbar sind. Auch Holzoberflächen, die zur brandschutztechnischen Ertüchtigung behandelt werden, sind in der Ökobilanz damit schlecht.
Der anlagentechnische Brandschutz bietet in puncto Kilmaschutz den entscheidenden Vorteil, dass mineralische Baustoffe, aber auch biogene Baustoffe keine besondere Behandlung, Verkleidung oder Spachtelung benötigen, da sie in Kombination die Brandschutzanforderungen erfüllen.
Warum wird das Thema Sprinkleranlage oft schnell ad acta gelegt?
Werner Hoyer-Weber: Meiner Erfahrung nach herrscht die Meinung vor, dass Sprinkleranlagen teuer in der Errichtung sind, teuer im Betrieb und dass es möglicherweise zu Wasserschäden kommt, die nicht zwingend mit einem Brandereignis zu tun haben. Das sind aus meiner Sicht Vorurteile, die dazu führen, dass eine Sprinkleranlage oft gar nicht in Erwägung gezogen, sondern von vornherein ausgeschlossen wird.
Was sollten Planer bei der Erstellung von Brandschutzkonzepten für Neubauten beim Einsatz von Brandschutzmaßnahmen beachten?
Werner Hoyer-Weber: Unsere Studie betrachtet den Brandschutz unter dem Gesichtspunkt der Ökobilanz und der Kosten. Es wäre sinnvoll, wenn bei der Konzepterstellung neben den Brandschutzmaßnahmen an sich auch deren ökologische und wirtschaftliche Verträglichkeit bewertet wird. Dabei sollten sämtliche Brandschutzmaßnahmen in die Überlegungen einfließen: also eine Gegenüberstellung, wie das Konzept mit Fokus auf baulichen Maßnahmen im Vergleich zu einem Konzept mit anlagentechnischen Maßnahmen aussieht. Man muss allerdings bedenken, dass in Österreich und auch in Deutschland die Anlagentechnik oft eine Abweichung von den präskriptiven Vorschriften darstellt. Daher ist darauf zu achten, dass der Nachweis für die Gleichwertigkeit der Erfüllung der Schutzziele erbracht wird.
Warum bietet gerade der anlagentechnische Brandschutz eine Möglichkeit, den Materialeinsatz zu reduzieren?
Michael Haugeneder: Wenn nur brandschutztechnische Anforderungen an ein Bauteil gestellt werden und keine weiteren bauphysikalischen wie Schall- oder Wärmeschutz, können, sofern die brandschutztechnische Anforderung an das Bauteil durch anlagentechnischen Brandschutz reduziert werden kann, Materialien verwendet werden, die in der Ökobilanz nicht mehr so masseintensiv sind und sich darin positiv auswirken.
Wie wäre eine Reduktion des Primärressourcenverbrauchs im Brandschutz möglich?
Michael Haugeneder: Man sollte überlegen, wie Re-Use-Materialien in Zukunft mehr zum Einsatz kommen können – aber in Kombination mit anlagentechnischen Einrichtungen. Denn derzeit ist die größte Herausforderung, dass bei Re-Use von tragenden Bauteilen wie Decken oder Unterzügen die Nachweisführung hinsichtlich der Erfüllung der statischen Anforderungen im Brandfall nicht gegeben ist. In Kombination mit entsprechender Anlagentechnik wird die Belastung des Re-Use-Bauteils im Brandfall aber drastisch reduziert und man kann davon ausgehen, dass dieser standhält.
Wie verhalten sich die beiden Brandschutzkonzepte in Ihrer Studie bezüglich der jährlichen Wartungskosten?
Werner Hoyer-Weber: Die Wartungskosten haben wir in der Studie nicht berechnet, aber aus meiner Sicht sind sie nahezu gleichzusetzen. Denn natürlich kommt es durch die Sprinkleranlage zu Wartungskosten, aber die habe ich auch beim baulichen Brandschutz, wenn einmal pro Jahr alle Brandschutzklappen und -türen im Gebäude auf ihre Funktionalität geprüft werden. Bestellt man den Sprinklerwart aus den eigenen Reihen, wenn zum Beispiel der Brandschutzbeauftragte diese zusätzliche Schulung absolviert, kann man in diesem Punkt sehr effizient sein. Dann sind die Kosten für die Wartung der Sprinkleranlage keinesfalls höher anzusetzen als im baulichen Bereich.
Werden Brandschutzkonzepte, die eine CO2-Bilanz berücksichtigen, schon vermehrt bei Ihnen angefragt? Wie oft kommt dieser Gesichtspunkt bei Ihnen derzeit zum Tragen?
Werner Hoyer-Weber: Bis jetzt wird das Thema Nachhaltigkeit noch nicht von den Kunden an uns herangetragen. Die Studie war eine Eigeninitiative, um den Aspekt der Ökobilanz im Brandschutz zu untersuchen und uns als Planungsbüros auch selbstkritisch zu hinterfragen. Wir wollten wissen, welche Rolle der Brandschutz im Bereich „grünes“ Bauen spielt und welchen Beitrag er leisten kann. Es würde uns natürlich sehr freuen, wenn aufgrund unserer Studie und anderer Publikationen mehr Überlegungen in diese Richtung angestellt würden.
Michael Haugeneder: Derzeit ist eine Öko- oder CO2-Bilanz nur in Pilotprojekten gefordert, aber im Hinblick auf den Green Deal der EU und die veränderten Anforderungen im Sinne des Klimaschutzes wird die Ökobilanz ein maßgeblichen Instrument in der Bauwirtschaft werden. Ziel ist, dass der Energieausweis für die Baueinreichung ab 2026 durch einen CO2-Ausweis abgelöst wird. Damit finden auch die grauen Emissionen in der Berechnung Niederschlag und CO2-reduzierte Bauweisen werden in Kombination mit anlagentechnischem Brandschutz gegebenenfalls Pflicht, um überhaupt eine Baugenehmigung zu erhalten.
Autor
Werner Hoyer-Weber
Geschäftsführer des Wiener Ingenieurbüros Hoyer Brandschutz, zertifizierter Brandschutzplaner und geprüfter Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz. Mit mehr als 25 Jahren Projekterfahrung und Know-how aus zahlreichen Aus- und Weiterbildungen zählt er zu Österreichs führenden Experten in diesem Bereich. Sein Fachwissen gibt er als Vortragender sowie Referent in Brandschutzlehrgängen weiter.
Autor
Michael Haugeneder
Seit 2010 in der Geschäftsleitung der ATP sustain GmbH, einer Sonderplanungsgesellschaft der ATP-Gruppe, die nachhaltiges Bauen als Standard etablieren möchte. Davor war der gelernte Gebäude- und Umwelttechniker sowie geprüfte Ziviltechniker für Gebäudetechnik als Fachplaner in der technischen Gebäudeausrüstung im Einsatz. Er ist ÖGNI/DGNB Auditor, Mitglied im Präsidium der ÖGNI, EU-Taxonomie Advisor, BREEAM Assessor und BREEAM In-use Auditor sowie LEED AP und führte in den letzten Jahren bei mehreren Projekten das Inbetriebnahmemanagement durch – meist in Verbindung mit Nachhaltigkeitszertifizierungen.