Die Regelanforderungen an den Rauchabzug bzw. die Rauchableitung aus dem Bauordnungsrecht beziehen sich auf die Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten. Unter Anwendung von Ingenieurverfahren kann der Rauchabzug auch in Bezug auf weitere Schutzziele dimensioniert werden.
Bei einem Brand in Gebäuden entstehen Brandprodukte, die sich als Rauch innerhalb der Räume ausbreiten. Der Rauch besteht aus festem Ruß und Rauchgasen die im Allgemeinen Atemgifte und reizende Gase enthalten.
Mit der Ausbreitung von Rauch innerhalb von Räumen oder Gebäuden entstehen Gefahren für Personen im Gebäude, Sachschäden durch Rußablagerungen am Gebäude und Sichteinschränkungen für Einsatzkräfte der Feuerwehr. Eine weite Rauchausbreitung ist bei kleinen Bränden besonders in großen Räumen wie Sälen, Hallen, Atrien oder anderen großen Luftraumverbünden zu befürchten.
Ein Schutzziel des Brandschutzes ist daher die Begrenzung der Ausbreitung von Rauch, was durch den Einbau von Öffnungen zur Rauchableitung oder Rauchabzugsanlagen – entweder natürlichen oder maschinellen – sowie Unterteilung in Rauchabschnitte unterstützt wird.
Bauordnungsrechtliche Anforderungen an den Rauchabzug
Die Bauordnungen der Länder fordern für Aufenthaltsräume i. d. R. zur Belichtung und Belüftung Fenster, die auch für eine Rauchableitung ausreichen. Für Kellerräume ohne Fenster und notwendige Treppenräume sowie Fahrschächte werden konkrete Anforderungen zur Rauchableitung beschrieben.
Eine explizite Forderung von Maßnahmen zur Rauchableitung oder zum Rauchabzug aus Aufenthaltsräumen findet sich in der Muster-Bauordnung nicht, obwohl für besondere Nutzungen auch Aufenthaltsräume ohne Fenster zulässig sind. Diese finden sich regelmäßig in Sonderbauten, an deren Räume auch besondere Anforderungen zur Entrauchung gestellt werden können.
Entsprechende Anforderungen werden in Verordnungen oder Richtlinien (siehe MIndBauRL [1], MVStättVO [2] oder MVKVO [3]) für die einzelnen Sonderbauten gestellt. Diese Anforderungen sind generell mit Bezug auf das Schutzziel zur Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten formuliert und adressieren konkret die Unterstützung der Feuerwehr bei der Brandbekämpfung. Zusätzlich führen entsprechende Maßnahmen auch zu besseren Möglichkeiten der Rettung von Menschen (und Tieren).
In den Musterverordnungen wird mit dem sogenannten Regelbeispielkatalog ein flächenabhängiger Dimensionierungsansatz eingeführt (Tabelle 1). Bei Umsetzung der Maßnahmen nach diesem Bemessungsansatz wird im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren von ausreichenden Maßnahmen zum Rauchabzug auch ohne eine explizite Betrachtung z. B. durch rechnerischen Nachweis ausgegangen. Zur Unterstützung der Brandbekämpfung wird damit ein bauordnungsrechtlich akzeptables Maß für die Rauchableitung bzw. den Rauchabzug festgelegt, wobei das entsprechende Anforderungsniveau unbestimmt bzw. weit gefasst bleibt.
Der Dimensionierungsansatz basiert auf stationärer Betrachtung mit Zonenmodellen für einen lokalen Entstehungsbrand, der als Bemessungsbrand mit einer maximalen Wärmefreisetzungsrate von 2 MW definiert wird. Eine entsprechende Vorgehensweise liegt auch den tabellierten Werten in DIN 18232-2 [4] zugrunde, wobei andere Bemessungsbrände betrachtet wurden, weil die Norm auch mit Bezug auf andere Schutzziele angewendet werden kann.
Die Betrachtung thermischer Schichtung im Zonenmodell (Abb. 2) ist für große Räume valide (vgl. Einsatzbereiche nach Tabelle 1), in denen eine Rauchausbreitung auf einzelne Rauchabschnitte begrenzt werden soll. In kleinen Räumen kann jedoch eine Rauchausbreitung im Fall von Schadensfeuern lediglich gegenüber anderen Räumen beschränkt werden.
Tabelle: Überblick über den Regelbeispielkatalog der Mustervorschriften
Ingenieurtechnische Nachweise im Brandschutz
Mit der Einführung der DIN 18009-1 [5] gibt es eine technische Norm zur Erarbeitung von Nachweisen des Brandschutzingenieurwesens. Grundsätzlich werden in der Norm zwei Verfahrensweisen unterschieden: argumentative oder leistungsbezogene Nachweise, die jedoch beide die Auseinandersetzung mit Brandszenarien erfordern.
Die Anwendung ingenieurtechnischer Nachweise nach dieser Norm ist aus dem Bauordnungsrecht direkt nicht vorgesehen. Entsprechend dem Anwendungsbereich kann bei Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Vorschriften oder technischen Regeln nach der Norm verfahren werden. Dabei ist jeweils das Nachweisziel zu beachten:
- Bei der Abweichung von technischen Regeln ist die Gleichwertigkeit der Lösung mit Bezug auf die jeweilige funktionale Anforderung nachzuweisen.
- Bei der Abweichung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften bildet die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Schutzziele das Nachweisziel.
Die Norm ist noch nicht bauordnungsrechtlich eingeführt, darf aber insbesondere in Verbindung mit dem Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes [6] als anerkannte Regel der Technik gelten. Die Industriebaurichtlinie sieht die Anwendung ingenieurtechnischer Nachweise bereits seit jeher vor und verweist in der aktuellen Version auf die neue Norm DIN 18009-1. Bei deren Anwendung wird es grundlegend erforderlich, aus den allgemeinen Schutzzielen des Brandschutzes die objektspezifischen funktionalen Anforderungen abzuleiten.
Kostenloser Download: Themendossier “Entrauchung im Brandfall”
Namhafte Fachautor:innen geben einen Überblick zu Maßnahmen der Entrauchung und Rauchfreihaltung und gehen in verschiedenen Fachbeiträgen auf wichtige Fragestellungen ein.
Das Themendossier “Entrauchung im Brandfall” ist kostenlos als Download erhältlich.
Dimensionierung von Rauchabzugsanlagen mit Ingenieurmethoden
Mit den allgemein gehaltenen Anforderungen in den Sonderbauvorschriften unter Verweis auf den Regelbeispielkatalog (Tabelle 1) besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Anforderungen auch durch anders dimensionierte Maßnahmen unter Anwendung des Brandschutzingenieurwesens (z. B. mit Brandsimulationsberechnungen) zu erfüllen.
In der Praxis kommt dies meist für sehr große Räume oder mit Bezug auf das Schutzziel der Personenrettung zur Anwendung. Entsprechend der Norm DIN 18009-1 sind in jedem Fall Brandszenarien objektspezifisch unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzziele und funktionalen Anforderungen zu analysieren, wobei Entstehungs- oder Objektbrände im Raum häufig maßgeblich werden. Beispiele für konkrete Bemessungsbrände lassen sich der DIN 18232 Teil 2 [4] für natürliche bzw. Teil 5 [7] für maschinelle Rauchabzugsanlagen entnehmen.
Die objektspezifischen funktionalen Anforderungen sind schließlich für die rechnerische Nachweisführung mit Leistungskriterien zu hinterlegen, die aus einer Beurteilungsgröße mit einem zugehörigen Beurteilungswert bestehen. Die Festlegung des Leistungskriteriums hängt – im Gegensatz zur funktionalen Anforderung – auch vom jeweils eingesetzten Modell ab. So ist beispielsweise die Höhe der raucharmen Schicht prinzipiell mit der Modellvorstellung von Zonenmodellen verknüpft.
Ingenieurmethoden im Brandschutz nutzen jedoch unterschiedliche Modellierungsansätze zur Beschreibung der wesentlichen Phänomene der Rauchausbreitung und Rauchableitung. Daszu stehen sowohl mathematische als auch physikalische Modellierungsansätze zur Verfügung.
Brandsimulation (mathematische Modelle)
Modelle zur Beschreibung der Rauchausbreitung und Rauchableitung lassen sich verschiedenen Modellklassen zuordnen, die sich hinsichtlich des Anwendungs- und Aussagebereichs sowie der Detailtiefe und des Aufwandes für deren Anwendung deutlich unterscheiden.
Bei aufeinanderfolgender Anwendung einzelner Formeln in Berechnungsschritten spricht man üblicherweise von Handrechnung oder Handrechenverfahren. Rechenmodelle, die mathematisch-numerische Verfahren zur Lösung von Differenzialgleichungen einsetzen, werden als Simulationsmodelle oder Brandsimulation bezeichnet. Bei der Wahl eines mathematischen Modells sind jeweils der valide Einsatzbereich und die Anwendungsgrenzen zu berücksichtigen.
Zonenmodelle
Die Erarbeitung von Berechnungsformeln und Modellgrundlagen, die eine Beschreibung der Rauchausbreitung und Rauchableitung ermöglichten, erfolgte Mitte des letzten Jahrhunderts auf der Basis der Auswertung von experimentellen Branduntersuchungen. Dabei wurden Zusammenhänge zwischen überschaubaren Eingangsparametern wie der Größe der Brandfläche, der aktuellen Brandleistung und der Höhe der vertikal ungestört aufsteigenden Rauchgassäule mit dem dort bestehenden Rauchgasmassestrom als sogenannte Plumeformeln entwickelt und veröffentlicht. Die experimentellen Erkenntnisse aus der Brandforschung konnten mit diesen Formeln in der Ingenieurpraxis mit geringem Rechenaufwand eingesetzt werden.
Zusammen mit dem Modellansatz thermischer Schichtung in einem Brandraum als horizontal ausgebildete Zonen bilden diese Plumeformeln die Grundlage für heute bekannte Zonenmodelle. Eine Zone umfasst dabei die Grundfläche des Raums oder Rauchabschnitts, wobei in ihr die Annahme einer homogenen Gastemperatur getroffen wird. Die Heißgasschicht als obere Zone wird dabei mit der darunter liegenden Zone der Kaltgasschicht über den Heißgasplume verbunden (Abb. 2). Die im Raum entstehenden Druckprofile und entsprechend an Öffnungen des Raums entstehende Druckdifferenzen bestimmen den Gasaustausch zwischen den Zonen verschiedener Räume oder der freien Umgebung. An den Öffnungsflächen sowie an allen weiteren Zonengrenzen z. B. zu den Umfassungsbauteile werden Energie- und Masseströme bilanziert.
Die Masse- und Energieerhaltung bildet den zentralen Ansatz der Brandsimulation mit Zonenmodellen. Eine explizite Betrachtung der Impulserhaltung erfolgt in dieser Modellklasse nicht.
Der erforderliche Rechenaufwand ist im Vergleich zur numerischen Strömungssimulation sehr gering. Entsprechend dominierten bis Anfang dieses Jahrhunderts Zonenmodelle die Brandsimulation in der Ingenieurpraxis und werden auch heute noch bei geeigneten Betrachtungsbereichen – besonders auch zu Parameterstudien – weiterhin eingesetzt. Dabei sind jedoch die Grenzen der empirischen Ansätze sowie der vereinfachenden Modellannahmen, z. B. der ungehinderte Aufstieg des Plumes über der Brandquelle oder ruhige Raumströmungen zur Ausbildung der thermischen Schichtung etc., und die Wahl der geeigneten Plumeformel zu beachten.
Eine entsprechende Kenntnis und Vorprüfung durch den Ingenieur ist somit auch bei der Anwendung dieser vermeintlich einfachen und altbewährten Handrechenverfahren sowie der Modellklasse des Zonenmodells entscheidend.
Feldmodelle (CFD)
Die zunehmend verfügbare Rechenleistung der Computertechnik und immer weiter verbesserte mathematische Modellierung physikalischer Phänomene der Strömungs- und Thermodynamik in den numerischen Rechenmodellen haben zu einem zunehmenden Einsatz in der Praxis geführt. Heute kann die numerische Strömungssimulation (engl. Computational Fluid Dynamics oder kurz CFD) als Stand der Technik bei der Brandsimulation gelten (siehe als Beispiel Simulation der Rauchausbreitung in Abb. 3).
Mit dem Verzicht auf fachspezifische empirische Formelzusammenhänge und einer allgemein gültigen mathematischen Modellierung der Erhaltungssätze der Strömungsdynamik (Energie-, Masse- und Impulserhaltung) sind dem Einsatz der CFD-Modelle theoretisch kaum Grenzen gesetzt. Die CFD-Simulation erfordert jedoch eine räumliche und zeitliche Diskretisierung auf numerische Berechnungsgitter und Rechenzeitschritte, die zu notwendigen Vereinfachungen komplexer oder kleinskaliger Effekte wie Turbulenz im freien Strömungsraum, Berechnung von Wärmestrahlung oder Grenzschichten im wandnahen Bereich bei der praktischen Anwendung zur Brandsimulation führen. Es bedarf einer Sachkenntnis beim Anwender über die Anwendungsgrenzen vereinfachender Modellansätze sowie über die numerischen Lösungsverfahren, um physikalisch valide Berechnungsergebnisse zu erhalten. In Abb. 4 ist das Ergebnis einer Brandsimulation dargestellt, bei der bewusst vereinfachende Modellierungsansätze für die Turbulenz sowie der Rechenzeitschritte eingesetzt wurden.
Im Zusammenhang mit der Brand- und Rauchausbreitung stellt sich besonders die Frage nach der Anordnung brennbarer Stoffe und ihrer Beteiligung am Brand. Die Abbildung der Pyrolyse und chemischer Verbrennungsreaktionen im Simulationsmodell wird mit steigender Rechenleistung in zunehmender Modellierungstiefe und Auflösung möglich, ist jedoch immer mit abstrahierenden Modellansätzen verbunden. Ableitung und Modellierung des im konkreten Einzelfall nachweisrelevanten Bemessungsbrandes sind daher eine wesentliche Aufgabe des Brandschutzingenieurs bei der Anwendung von CFD-Brandsimulationsmodellen.
Validierung
Die Anwendung von Modellierungsansätzen zur Brandsimulation erfordert eine entsprechende Validierung. Darunter ist der Abgleich der Eignung eines Modellansatzes zur Abbildung des zu betrachtenden physikalischen oder chemischen Phänomens im für den ingenieurtechnischen Nachweis erforderlichen Maß zu verstehen. Die Validierung eines einzusetzenden Modellansatzes ist notwendig, um die erforderliche Verlässlichkeit der Brandsimulationsergebnisse sicherzustellen.
Die wesentlichen durch die Brandsimulation bei der Rauchausbreitung und Rauchableitung zu beschreibenden Phänomene werden in allen Modellklassen von den mathematischen Modellen in unterschiedlicher Modellierungstiefe mit ihren jeweiligen Anwendungsgrenzen abgebildet und beruhen auf denselben grundlegenden Erhaltungsprinzipien. Somit ist es schlüssig und logisch, dass sich Ergebnisse aus unterschiedlichen Modellklassen, z. B. im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen, miteinander vergleichen lassen, wenn die jeweiligen Berechnungsansätze und -modelle im Rahmen ihrer Anwendungsgrenzen eingesetzt wurden.
Brandrauchversuche (physikalische Modelle)
Neben mathemischen Modellierungsansätzen gibt es den Ansatz einer physikalischen Modellierung des zu betrachtenden Brandszenarios auf der Grundlage wesentlicher physikalischer Größen und der Erhaltungsgrundsätze im Versuch. Zur Beurteilung der Rauchausbreitung bzw. des Rauchabzugs kommen sowohl physikalische Modellversuche im verkleinerten Geometriemaßstab als auch Heißrauch- bzw. Brandrauchversuche im realen Gebäude zum Einsatz.
Skalierte Modellversuche
Die Anwendung von physikalischen Modellversuchen mit verkleinertem Geometriemaßstab wurde vor allem bei der Untersuchung der Rauchausbreitung und Rauchableitung eingesetzt, als die verfügbare Rechenleistung und die Leistungsfähigkeit der Brandsimulationsmodelle für die Ingenieurpraxis noch deutlich eingeschränkt waren. Dies betraf vor allem Fragestellungen, die die Anwendungsgrenzen von Zonenmodellen erreichten. Mit verkleinerten Modellversuchen konnten diese teilweise sehr komplexen Fragestellungen in der Ingenieurpraxis mit vertretbarem Aufwand gelöst werden. Die Anwendung dieser skalierten Modellversuche erfordert jedoch eine tiefe Kenntnis der Skalierung von strömungstechnischen Gesetzmäßigkeiten sowie einen hohen technischen Aufwand für die Modellbildung und Versuchsdurchführung.
Für die detaillierte Untersuchung der Rauchausbreitung und den Rauchabzug können solche Versuche bei ausgedehnten und komplexen Raumstrukturen oder bei Wechselwirkung mit äußeren Windeinflüssen eingesetzt werden. Als ein herausragendes Beispiel für die Anwendung von skalierten Modellversuchen seien die Entwicklung und der Nachweis des innovativen Entrauchungssystems für den geschossübergreifenden Luftraum des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart genannt.
Skalierte Modellversuche haben, trotz des zunehmenden Einsatzes von CFD-Brandsimulationen, bei Variation der Entrauchungsmaßnahmen oder als Studienmodelle für grundlegende Prinzipien sowie aufgrund ihrer Anschaulichkeit weiterhin ihre Anwendungsberechtigung im Rahmen von Brandsimulationsmethoden.
Heißrauch- bzw. Brandrauchversuche
Als eine weitere Anwendung von physikalischen Modellen werden in der Ingenieurpraxis qualifizierte Heißrauchversuche bzw. Brandrauchversuche eingesetzt. Die Untersuchung der Rauchausbreitung und Rauchableitung erfolgt dann an der originalmaßstäblichen Geometrie, also im konkret betrachteten Raum oder Gebäudebereich. Anstelle eines Schadfeuers wird eine kontrollierte Ersatzbrandquelle eingesetzt, die eine Schädigung des Gebäudes oder seiner Einrichtung verhindert. Oft kommen dabei entsprechend angeordnete, mit Gas befeuerte Brenner zum Einsatz, z. B. die in Abb. 5 gezeigte patentierte Versuchsapparatur „Smoke 3“.
Bei der Durchführung von Brandrauchversuchen gelten – wie bei allen anderen Modellen auch – die Erhaltungsprinzipien, die bei der Auswertung für valide Ergebnisse zu beachten sind. Zusätzlich bedarf es der Kenntnis über die jeweilige Leistungsfähigkeit der eingesetzten Ersatzbrandquelle.
Für einen praxisgerechten Einsatz wurde bei der vfdb die Richtlinie „Durchführung von Brandrauchversuchen in Räumen“ [8] als Leitfaden erarbeitet und veröffentlicht. Darin finden sich die wesentlichen Voraussetzungen für eine belastbare Versuchsdurchführung sowie eine Auswahl an geeigneten Verfahren zur Durchführung solcher Brandrauchversuche. Wenn die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Ersatzbrandquelle bekannt ist, können die Ergebnisse aus solchen Versuchen mit Brandsimulationsergebnissen verglichen und überprüft werden (Abb. 6 und Abb. 7). Voraussetzung dafür sind vergleichbare Randbedingungen und der Einsatz der Verfahren innerhalb ihrer Anwendungsgrenzen und Leistungsfähigkeit. So wird es auch möglich, aus einem qualifizierten Rauchversuch Erkenntnisse für weitergehende Untersuchungen durch anschließende Brandsimulationsberechnungen zu gewinnen.
Beispiele: Überprüfung der Simulationsergebnisse durch Heißrauchversuche in der Praxis
Dem Brandschutzingenieur steht in der Praxis eine Vielzahl von Berechnungsansätzen zur Verfügung, die unter Beachtung der jeweiligen Anwendungsgrenzen zur Beurteilung des Rauchabzugs oder der Rauchableitung eingesetzt werden können. Bei der Erarbeitung von individuellen Entrauchungskonzepten kann besonders der kombinierte Einsatz verschiedener Modelle zu nachvollziehbaren und belastbaren Ergebnissen führen. Dies kann mit den illustrierenden Beispielen in diesem Beitrag verdeutlicht werden.
Bei der Industriehalle wurde die natürliche Rauchabzugsanlage mit Brandsimulation dimensioniert, weil eine Unterteilung in Rauchabschnitte nicht möglich war. Oberhalb der Betonbinder der Stahlbeton-Fertigteilkonstruktion verläuft ein Dachlichtband längs am Hallenfirst, in das die Rauchabzugsgeräte eingebaut sind. Obwohl die Hallenbinder eine große Höhe aufweisen, bilden sie keine Barriere für den Brandrauch im Sinne einer Rauchschürze, da sie im Bereich des Dachlichtbandes überströmt werden können.
Zur ersten Abschätzung wurden zunächst orientierende Berechnungen mit Zonenmodellen durchgeführt, die schließlich zur Dimensionierung der natürlichen Rauchabzugsanlage mit CFD-Simulation geführt haben (Abb. 3). Nach Fertigstellung wurden die Ergebnisse in einem Brandrauchversuch überprüft, wobei zur Anbindung an den Ingenieurnachweis zunächst eine Vorausberechnung des Versuchs mit dem CFD-Programm erfolgte. Der Abgleich der Ergebnisse ist in Abb. 6 dargestellt.
Das zweite Beispiel zeigt die Beurteilung von Rauchabzugsmaßnahmen aus einem historischen Kreuzgang. Bei dem denkmalgeschützten Gebäude musste eine spezifische Lösung zum Rauchabzug erreicht werden. Dazu erfolgte die Simulation mit einem CFD-Modell, bei dem zur schnellen Variantenuntersuchung Modellvereinfachungen bezüglich der Turbulenzmodellierung und der Rechenzeitschrittweite möglich sind. In Abb. 4 ist dies an der geglätteten Abgrenzung der Rauchschicht erkennbar. Auch in diesem Fall konnte die Dimensionierung in einem Brandrauchversuch überprüft werden (Abb. 7).
Fazit und Ausblick
Die heutigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften für Sonderbauten enthalten Anforderungen für den Rauchabzug, die sich auf das Schutzziel wirksamer Löscharbeiten beziehen. Die konkreten Angaben des Regelbeispielkatalogs führen bei einer Mehrzahl von Gebäuden zu befriedigenden Lösungen. Der Einsatz von Brandsimulation oder Heißrauchversuchen kann für besondere Anforderungen oder Raumanordnungen effektivere Lösungen ergeben. Insbesondere beim Einsatz von Rauchabzugsanlagen zur Ermöglichung der Rettung (bzw. Selbstrettung) sind ingenieurtechnische Nachweise unter Betrachtung von Szenarien entsprechend DIN 18009-1 [5] geboten.
Die Normenreihe DIN 18009 wird aktiv in weiteren Teilen fortgeschrieben. Der Fokus liegt dabei weniger auf dem „handwerklichen“ Einsatz von Simulationsmodellen als vielmehr auf der Ermittlung von Eingangswerten und Randbedingungen sowie der ingenieurtechnischen Beurteilung der Ergebnisse. Die sachgerechte Einordung von Rechenergebnissen ist der wesentliche Schlüssel zur Anwendung von Ingenieurmethoden im Brandschutzingenieurwesen.
Quellen
[1] Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Muster-Industriebau-Richtlinie – MIndBauRL): Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz, 2019[
2] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung… MVStättVO) (Fassung Juni 2005, zuletzt geändert Juli 2014): Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz, 2014
[3] Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten (Muster-Verkausstättenverordnung– MVKVO) (Fassung September 1995, zuletzt geändert Juli 2014): Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz, 2014
[4] DIN 18232: Rauch- und Wärmefreihaltung − Teil 2: Natürliche Rauchabzugsanlagen (NRA); Bemessung, Anforderungen und Einbau (Deutsche Norm Nr. DIN 18232-2). Berlin: Deutsches Institut für Normung e. V., 2007.
[5] DIN 18009-1: Brandschutzingenieurwesen − Teil 1: Grundsätze und Regeln für die Anwendung (Deutsche Norm Nr. DIN 18009-1:2016-09). Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2016.
[6] Zehfuß, J. (Hrsg.): Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes (Technischer Bericht Nr. TB 04/01 4. Auflage): Braunschweig: Technisch-Wissenschaftlicher Beirat (TWB) der vfdb, Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V., 2020.
[7] DIN 18232: Rauch- und Wärmefreihaltung − Teil 5: Maschinelle Rauchabzugsanlagen (MRA) Anforderungen, Bemessung (Deutsche Norm Nr. DIN 18232-5). Berlin: Deutsches Institut für Normung e. V., 2012.
[8] Durchführung von Brandrauchversuchen in Räumen (vfdb-Richtlinie Nr. vfdb 14/02): Altenberge: Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V., 2017.
Der Artikel ist im FeuerTrutz Dossier “Entrauchung im Brandfall” (Oktober 2023) erschienen. Das komplette Dossier ist kostenlos als Download erhältlich.